Dienstag, 11.10.2022 

Nach den 4 + 12 Stunden Warten, Starten, Fliegen, Landen, Warten usw... sind wir zum Glück ohne jegliches nervige Fragen nach Corona und Impfungen, Tabak und anderem im Gepäck über Doha in Neu Delhi gelandet. Der Flughafen ist mit Teppich ausgelegt und mit dieser Wandgestaltung quasi auf den ersten Schritt und ersten Blick freundlicher als die beiden davor.

Das merkt man auch im halbwachen Zustand. Ann hat sofort (nach guter Instruktion durchs Institut) ein Taxi bestellt - und bekommen, und wir brausten durchs brausende Stadtgehupe.

Die gleichzeitige Suche nach einem Geldautomaten auf dem Flughafen und einer Möglichkeit zum Rauchen hatte uns kurz entzweit. Ich stand vor dem internen Bereich mit der Kofferkarre (und allem außer Anns Kreditkarte, mit der sie auf Geldsuche war), Ann drinnen. Der Officer war nicht bereit, mich zur Wiederkontaktherstellung im Innenbereich nach Ann suchen zu lassen. Nach etlichen Minuten, in denen ich mich um Kopf und Kragen quatschte, der Office immer unwirscher wurde, auch nach dem ich sein offensichtliches „BezahlmichdochAngebot“ ablehnte, sah ich sie, röhrte mit aller Kraft, dass die Halle bebte ein gewaltiges AAANNN und wurde erhört. Sie war zwar missgelaunt, da ich meinen Treffpunkt verlassen hatte, aber Anfang gut, … wie weiter.

Ann organisierte dann nach Übergabe ihres Portemonnaies am Officer vorbei drinnen das Vorab-Bezahl-Taxi. Nach der gewöhnungsbedürftigen Fahrt (ständiges Hupen, mehrere Autos ungeordnet, eng nebeneinander – deshalb muss auch ständig gehupt werden, damit die anderen wissen, dass man da ist) in die Stadt kamen wir an einer möglichen Adresse an. Wir wurden auch zunächst freundlich empfangen, aber genauso fix zurückgewiesen. Die richtige Adresse könnte ein paar Ecken weiter sein.

 

Wir starteten los, zu Fuß, mit unseren superschweren 25 kg Rollkoffern. Schon nach ein paar Metern waren wir einem heranfahrenden Sterneauto ein Hindernis, was weggehupt werden musste. Und jetzt startet Bollywood: Ein gepflegter älterer Herr mit Weißem Haar und Bart, ein ähnlich blaukariertes Hemd tragend, wie ich es trug, stieg hinten aus und fragte, ob er helfen könne. Ein Pilotenausbilder, der viel in Europa und dem Rest der Welt herumgekommen war und wohl unsere Situation erkannte. Wir zeigten unsere Adresse vor, er checkte, dass es wirklich nur um drei Ecken war, und er ging in Aktion. Sein Fahrer parkte den Wagen, holte dann seinen roten Kleinwagen aus der nächsten Parklücke, wurde angewiesen, unsere Riesenkoffer ins Auto zu wuchten. Der Dienstherr selbst schwang sich dann ins Auto, entschuldigte sich für seinen schlechten Fahrstil, denn er wird ja sonst gefahren und fliegt ansonsten Airbus-Maschinen, und fuhr uns zur richtigen Adresse. Wunderbar. Herzlichen Dank!

 

Wir waren ziemlich erschöpft. Die Begrüßung durch die bediensteten jungen Männer war herzlich. Sogar ein Strauß Blumen gabs für Ann. Schlüssel, Telefonnummern, Papiere, Unterschriften und schon lagen wir auf den Betten und schliefen.

Am Abend unternahmen wir unsere erste Erkundung mit dem Ziel: Supermarkt. Wir fanden ihn nicht, standen lange an den Straßen mit endlosem Verkehr, weit und breit keine Ampel – nein, eine Ampel, die ausgeschaltet war, eine andere die ignoriert wurde, weil sie ständig rot zeigte.

Dann haben wir an einem Imbiss unser Abendbrot erstanden, noch ein paar Kekse in einer Bäckerei und etwas Obst fürs Frühstück. So endete unser erster Tag in Delhi. Früh ins Bett, um schnell in die Lokalzeit zu wechseln. Das Einschlafen fiel uns nicht schwer.

 

Mittwoch, 12.10.

 

Der Plan für heute ist, dass Ann in ihrem Büro vorbeischaut im Institut. Ich werde sie begleiten, um zu wissen, wo sie steckt und wo ich sie finden kann.

 

Unser Austrittbalkon und die Fenster liegen am morgen und auch lange am Tag im Schatten. Das macht es angenehm. Ein Pluspunkt für die Wohnung. Erst gegen 16 Uhr erklimmen Licht- und Hitzewellen die Balkonbrüstung. Um die 28 Grad sind es heute. An den gegenüberliegenden Häusergebirgen klettern wuselig weißgraue Streifenhörnchen an den Wänden rauf und runter, hin und her, nutzen dabei Kabel und Rohre und was sonst Möglichkeiten zum Halten und Springen bietet. Dabei stoßen sie fiepige Lockrufe aus, wobei ihr buschiger Schwanz heftig mitzuckt.

 

 

Doch zunächst warfen wir die Waschmaschine an, die den meisten Platz auf dem Balkon einnimmt und in ihrer Farbigkeit von weiß bis Violetta an friedlich fröhlich vor sich hin wuschelnde Hausfrauen im passend farbigen Kittel erinnert. Es ist ein kindliches Vergnügen, wieder mal in die sich im Seifenschaum-Dreckwasser drehende Wäsche zu schauen, hineinzufassen, sie herauszuziehen, sie wieder ins Geschäum zurückfallen und untergehen zu sehen. Es ist ein Halbautomat. Das heißt man, bzw. wohl vor allem frau steht mehr oder weniger daneben oder ist in kurzen Zeitabständen mit der Waschmaschine beschäftigt: Wasser händisch einlaufen lassen über den Schlauch, Wasser abpumpen lassen, wieder einfüllen lassen, wieder abpumpen, solange bis keine Seife mehr sichtbar ist – das heißt beim Waschvollautomaten „Spülgang“. Danach die neben dem Wasch- und Spülbehälter beieingebaute Wäscheschleuder befüllen, die Absperrhimmelscheibe oben drauf, den pinkrosavioletten Deckel schließen, den beeindruckenden silbernen Schalter umlegen und das Geknatter und Gehoppel der Schleuder erwarten und bekommen. Fast trocken sind die Handtücher, die Bettdecke und der Kochwäschenkleinkram danach. Ok, jetzt kann Ann sie benutzen. Es war besser so, es zu tun, und alle Viren und Bakterien aus unseren unheimlichen Gedanken zu waschen. Beruhigend. Ann weist auch noch mal auf die braune Brühe hin, die beim Waschen und Spülen zu sehen war.

 

Es war auch der Tag der Suche nach Smart-Cards für die Bahn, Sim-Cards für die Handys und erneut: Supermarkt. Daneben näherten wir uns dem Institut mit Metro und TukTuk. Es liegt, so wissen wir nun nahe dem Lodhi park, den im Zentrum ein muslimisches Mausoleum krönt. Er wird noch demnächst von mir in Augenschein genommen werden. 18 Uhr wollte ich Ann wieder abholen. Abgemacht. Meine Irrfahrt zurück in die Stadt begann mit dem zu laxen Kommando an den TukTuk-Driver: „To the next Metro-Station, please.“

Er fuhr mich irgendwo hin. Ich fuhr auf Umwegen bis zum Flughafen, entdeckte dort schließlich einen Netzplan und mit dessen Hilfe kam ich wieder in unser Wohngebiet. Da war es 15:30, lohnte sich also nicht mehr, in unser Quartier zu stapfen und ein Nickerchen zu riskieren. Es war zum Glück nicht so heiß, dass ich schwitzen musste. Der Hupkrach, die Fahrzeug- und Menschenmassen reichten zu.

Also machte ich mich wieder auf den Weg Richtung Anns Büro und stieg prompt in die Bahn, in die ich laut Anns Anweisung nicht steigen sollte: Botanical Garden. Ich konnte die Station an der ich aussteigen sollte, nicht finden, stieg dann auf einer geschätzten, dass das in der Gegend wohl sein müsse Station aus. Der Driver musste sich bei Kollegen erkundigen, wo die Adresse, die ich ihm zeigte, wohl ist. Dann knatterte er los. Ewig lang. Ich konnte nur vertrauen. Das kostete mich 700 Rupien. Mit 250 und noch mal 200 - ein stolzer Missgriff am ersten Tag.

Schließlich war ich in der Straße vorm Institut angekommen und trank da an einem Imbiss einen Tee. Vormittags hatte ich schon entdeckt, dass im Schatten hinterm Büdchen, eine gut geschützte Stelle für Raucher war, zu sehen – klar – an herumliegenden Kippen. Der Tee war stark aromatisch und süß. Meine Pfeife dazu war herrlich, mein Arsch auf der kalten knappen Betonkante war zufrieden.

 

Ich erreichte das Büro, inspizierte schnell den dahinter sichtbar werdenden Park für spätere Besuche und betrat ne halbe Stunde zu früh das Gebäude. Ann wurde von meinem Eintreffen informiert und mir die Küchenzeile zur Selbstbedienung freigegeben. Ich spendierte mir einen Kaffee mit echter Milch. Und ein Reststück Kuchen gabs oben drauf.

Was für ein Abschluss nach dieser irren Irrfahrt durch Delhi. Am Abend hatten wir dann noch das Gratiskonzert einer Grille, die irgendwie in unseren Schrank gezogen war. Wir haben sie nicht gefunden und auch nicht stumm bekommen. Es war dann aber auch egal.

 

Donnerstag, 13.10.

 

Dringend Einkäufe angehen, z.B. das knapp anliegende Klopapier und vieles anderes. Also auf zum Super-BAZAR zwei Stationen weg vom Greater Kalesh direkt unter der Metrostation Kalkaja Mandir. Ein superschnieker Laden à la Glanzkaufland.

 

Am Eingang wird dir die Tasche mit Kabelbindern verschlossen. Nu kannste nix verschwinden lassen. In der ganzen Riesenhalle wimmelte es von jungen schick gekleideten „was auch immer“. Einige stapelten tatsächlich Regale ein, zwei schwangen den Wischmopp, aber die meisten gehörten zum Inventar, was miteinander plauderte. Natürlich hab ich das nicht durchschaut. Aber als ich nach Essig, also vinegar, fragte, ging das Suchgerenne durch die Reihen los. Da waren dann zeitweise bis zu sechs junge Menschen involviert. Aber gefunden. Mit meinem Rollkorb, bei dem für angenehmes Hinterherziehen gut 10 cm an der Griffverlängerung fehlten, zuckelte ich Richtung Kasse. Für meinen Einkaufshaufen brauchte ich die blaue IKEA-Riesentüte, die aber in meiner Tasche eingeplompt war. Also noch zur Sicherheit zum Eingang, Tasche aufplomben lassen. Nach ein paar unverständlichen Blicken wurde der grell geschminkten jungen Unformierten die Sache klar und ihre Kneifzange machte Klick. Die Kosten immer durch 80 zu dividieren, verunsichert bezüglich der Preise, aber alles in allem ist’s ok sagt mein FinAnnzvorstand dann auch. Die Rückreise mit dem IKEA-Sack zur Mittagszeit die Straßenkanten entlang zum Quartier war beschwerlich und ich war mit allem durch, als ich unter der Dusche stand.

 

Freitag, 14.10.22 

Heute Morgen haben wir uns auf den Weg gemacht, einen Supermarkt zu finden, der uns von Anns Kollegin empfohlen wurde. G-Maps war hilfreich, zeigte ein gutes Dutzend Markets an. Leider nicht was wir erhofften. Jeder, der es irgendwie geschafft hat, mit seinem Büdchen bei G-M als Supermarkt zu erscheinen, wurde angezeigt. So durchwanderten wir ein naheliegendes Großgebiet, fanden in einem Gelände à la Polenmarkt Anfang der 1990er ein kleines Lädchen, wo wir mehr erstanden, als wir erhofft hatten. Einen jungelartigen kleinen Park nutzten wir zur Rast, entdeckten dabei einen skurrilen Wasserturm und dahinter einen Tempel der Kali, Göttin des Todes und der Erneuerung, kamen aber nicht näher ran, weil er von Baustellen umzingelt und von Festgerüstaufbauten in Vorbereitung umstellt war. Und wir brauchten ewig für den Rückmarsch über überfüllte Straßen, durch Hitze, Lärm und Staub. Aber die 100 Gramm Butter waren nicht geschmolzen und die Einkäufe ergänzten unser Nahrungsmittelangebot.

 

Heute Nachmittag entdeckte Ann die ersten 3 – 300 Mini-Insekten auf unserer Küchenzeile, kleine rote Mini-Ameisen, die nur Ann mit ihren Laseraugen und ich ohne Brille gar nicht sehe. Sie begründete die Invasion damit, dass die Tierchen mit Speisresten auf der Küchenplatte angelockt wurden. Aha. Mich verwundert dagegen, dass wir bisher von jeglichen Fluginsekten verschont geblieben sind, als gäb es gar keine. Kann das sein? Bis Ann mit Insektenbissen aus dem Bad kam – nein, es gibt irgendwas…

 

 

Da Ann heute im Homeoffice schaffen wollte und auf den Vermieterbediensteten samt Ausländerbehördenformularen warten, der dann aber nicht kam, machte ich mich auf den Weg, den nächstgelegenen Park zu erkunden. Einkaufsaufträge lagen nur wenig an. Fladenbrot. Mal sehen. Der Jahanah City Park liegt unweit unserer Greater Kailash Enclave II und ich machte mich per Navi auf den Weg. Am  Ende einer Sackgasse, die von einer Müllannahmestelle gekrönt war, gab es ein kleines Gittertürchen samt Drängelvermeidungsgitter und schwubs war man drinn. Die Top-Exotik war es nun nicht. Aber die Ruhe samt Tiergeräusche war es schon wert. Bis zum Ende des Parks an der Jagadamba Road, wo sich gleich Straßen samt Stauverkehrslärm und ein Wohngebiet mit Tante-Emma-Läden in Massen anschloss, waren es etwas mehr als 3 km. Im Park war es gut auszuhalten im leicht feuchten Halbschatten, im Stadtgewühl war es heftig heiß.

Ich erwischte einen Saftverkäufer, der einen leckeren frischgepressten O-Saft verkaufte. Ich konnte zusehen. Der Saft kostete nur 40 Rupien, also nahm ich zwei. Gestärkt machte ich mich durchs Gewühl auf den Rückweg.

 

Zu den Fotos: Die jungen Mädchen kommen grad von der Schule, wovon es in der Ecke gleich etliche gibt, also hunderte Kinder in Schuluniform im Terrain. Und der Hund lebt, er schläft.

Ich fand sogar den Einstieg in den Park wieder, der wohl um diese Tageszeit nicht erlaubt war zu betreten, wie mir zwei Uniformierte auf `nem Mopped klar machen wollten. Aber als diese verschwunden waren, blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Weg fortzusetzen. Wieder raus aus dem Park an der Müllannahme entdeckte ich dann nicht weit von unserem Quartier ein kleines Tante-Emma-Ladengebiet, wo ich das gewünschte Fladenbrot bekam. Völlig durchgeschwitzt war ich gegen drei wieder at home. 

 

Ach ja, die ersten Fluginsekten sind in unserer Wohnung angekommen, die Anzahl aber bis jetzt unerheblich und ganz verträglich.

 


Sonntag, 16. 10. 2022

 

Connaught Circus oder Rajiv Chowk, als Mittelpunkt der Stadt im Reiseführer angekündigt, ereignete sich mit einem geschlossenen Park in der Mitte. Die Auskunft im Reiseführer stimmt, dass man von allen möglichen Männlein belästigt wird. Zwar wollten sie uns nichts verkaufen und auch nicht Schuhe putzen. Aber in 10 Minuten wurden wir 6 Mal darüber freundlich und ausführlichst beraten, dass der Park sonntags zu und montags auf oder umgedreht, die Läden links heute auf oder erst morgen oder erst ab halb zwei und ein 6-stöckiges Gebäude für nur 20 Rupien mit dem Tuktuk zu erreichen ist, wo wir unbedingt hinwollen sollten. Es war ärgerlich. Als wir dann endlich ein Ziel hatten, weg vom Zirkus, wurden wir „weißen Affen“ (sehr treffendes Zitat einer Freundin) auf dem Weg dahin weiterhin unaufgefordert beraten. Es blieb den Beratern unwahrscheinlich, dass man einfach nur spazieren geht und nicht shoppen oder Tuktukfahren will. 

 

Wir wollten nun zur Sternwarte Jantar Mantar, laut Navi 900 m. „Die futuristisch anmutenden Steinbauwerke wurden 1725 von Maharaja Jai Singh II. von Jaipur (Zitat aus dem Reiseführer) gebaut. Leider war es echt warm. Wir waren durchgeschwitzt und unkonzentriert, aber die Bauten waren wirklich wie von einem andern Stern aus der Spielkiste vom Bauhaus. Inspirierend.

 

Danach checkten wir routiniert mit unseren Metro-Smart-Cards in die Metro ein, um an einem Brunch im Indian International Centre teilzunehmen und an einer späteren Architekturführung. Ich musste etwas improvisieren, um an das Futter zu kommen. Ann war nicht so frei und verließ sich auf ihre Kollegin, die zurzeit dort wohnt.

 

Wir nahmen an einer Führung durchs IIC buildings, an einem zweistündigem Dauervortrag über einen Joseph A. Stein einer indischen Historikerin mit Message teil, leider viel an sonnigen, draußen gelegenen Stellen. Herr Stein designte auch das anliegende UN-Gebäude. ER war Amerikaner und kam mit seiner Frau Margaret, die – typischerweise für die Zeit – Innenarchitektin war, 1952 nach Indien. Er baute (zusammen mit ihr? aber das war nicht das zentrale Thema und zu Margaret Stein findet sich auch kein einschlägiger Wikipedia-Artikel… wie auch sonst generell weniger über Frauen Artikel in Wikipedia existieren) in Delhi soviel, dass die Ecke auch „Steinerabad“ genannt wird. Das Gebäude ist schön, aber die Führung schlauchte durch die Hitze und durch die Bigband, die im Hintergrund ihren Soundcheck Instrument für Instrument  ausführlich absolvierte und die Historikerin leicht übertönte.

 

Versprengte erschöpfte Teilnehmer/innen luden uns nach der Besichtigung eines Baumes, der vom Sohn von Martin Luther King gepflanzt wurde, resolut auf einen Tee in die Lounge des Hauses ein. Es ging dann kurz um Idar-Oberstein, Toronto und das Pendeln zwischen den verschiedenen Kontinenten, später dann um die zunehmende Einflussnahme rechter, konservativer und populistischer Bewegungen weltweit. Als ich von einer versteckten Rauchpause bei den Teeverkäufern zurückkam, saß die Dame plötzlich an einem anderen Tisch und mein Tee war kalt. Ann meinte, dass sie die Tasse schon mehrmals vorm Abräumen bewahren musste.

 

18:30 begann dann im Garten ein IIC-60-Jahre-Festival-Konzert mit Carlton Braganza and Big Band Wagon. Amiland-Swing-Jazz aus den 1930 und 50ern. Geile Stimme, grandiose Sax- und Trumpetsolis. Aber der Sänger hatte nen Charme aus süffisantem Dean Martin- und Elvis-Filmen auch gegenüber seiner Duo-Sängerin. Also 1 h reichte dann doch. Ein langer Heimweg zur Metro und dann mit Metro lag noch vor uns, so dass wir vorher noch abendvespern mussten. Wir nutzen dazu das nächstgelegene laut Google-Maps „gehobene“ Shopping-Food-Viertel. Mit meiner Auswahl war ich nicht so recht glücklich, aber satt - Ann hatte es mit „veg“ besser erwischt.

 

Beim Eintreffen zuhaus, musste ich erst eine ruhig auf uns wartende Kakerlake über den Balkon verabschieden und ein weiteres Getier per Fuß in einen Vorleger drücken. Hoffentlich bleibt es tierisch ruhig. Letztes Bild ist das einer Ampel am Sonntag Morgen im Ruhestand. Alles schläft. Noch. 

Montag,  17.10.2022 

 

Nein, heute ist der Tag des großen Aufmarsches der kleinen Ameisen auf der Küchenzeile. Da war auch nichts mehr weg zu wischen, sie nahmen sich ihre Zeit. Und Fliegen gibt’s jetzt auch. Ansonsten gibt es heute nichts zu bloggen. Haushaltstach eben. Waschen, einkaufen, spülen, bisschen lesen. Und natürlich mach ich jetzt noch den Blog zu gestern fertig.

 


Mittwoch, 19.10.2022

 

Ich nahm mir den Reiseführer vor, ein Ziel auszusuchen und mit Fahrplan und Karte in Übereinstimmung zu bringen. PURUNA QILA, ein Fort, dass mit Metro und Laufen oder TukTuk in knapp einer Stunde zu erreichen sei und dann nicht weit vom INDIA GATE, dem 1. Weltkriegs-Kriegerheiligtums liegt, was ich dann je nach Verfassung und Tageszeit auch noch besuchen könnte. Die Metrofahrt ging wieder über Kalkaji Mandir mit dem Supermarkt drunter, so dass ich Ann mutig per WhatsApp ankündigte, dass ich auf dem Rückweg gleich die Einkäufe mitbringe. Was für ein kühner Plan.

Die Fahrt ging bis zum Khan Market, vorbei an der Station JLN Stadium, in deren Nähe Anns Büro ist. Vom KaMa zu  Fuß Richtung Fort. Bis dahin und dort von Tuck-Fahrern umschwärmt, am Eingang des Forts lag auch der Eingang zum Tierpark. Also Ansturm auf der ganzen Linie von Verkäufern von irgendwas. Zum Glück gab es auch kaltes Mineralwasser. Denn es war nun schon nach 12 und mächtig warm. Nach dem Torhaus erstreckte sich ein riesiges rasenhaftes Parkgelände mit nur einigen Bäumen innerhalb einer 2 km langen Festungsmauer.

 

Nachdem ich das Archeologische Museum besucht hatte, ging ich quer durch die trockne Wiese Richtung der Moschee von 1541. Ein wirklich schöner Bau. Ich hoffte auf den Eingang auf der Rückseite, aber leider war alles dicht. Mich belohnten die Schadensbilder [Ergänzung von Ann: „Schadensbilder“ sind Franks Hobby. An jedem Bauwerk gibt es mit der Zeit Schäden durch Materialverschiebungen, Alterung, Wind und besonders Wasser, die an Gebäuden nagen. So bilden sich verschiedene Schadensbilder wie Risse, Auskerbungen, Überhänge, Farbabblätterungen, Löcher, oft schon mehrmals ausge- oder verschlimmbessertan den Innenwänden eines leeren Brunnenbeckens und die Aussicht auf „Tesla in Dehli“.

 

Ich wanderte am roten Turm Sher Mandal vorbei, der auch nicht mehr als die Außenfassade bot. Innerhalb der Mauergebäude entlang rechts vom Torhaus kamen mir auf dem Rückweg noch die Ausstellungsräume mit einer Sammlung alter indischer Skulpturen in den Weg. Eine schöne Sammlung in kühlen Räumen, echt gut präsentierte mehrheitlich Steinskulpturen. Da wieder raus, riskierte ich ein Nickerchen auf der weiten Wiese unter einem der Bäume.

In weiten Abständen um mich unter anderen einzelnen Bäumen übten sich jugendliche Liebespärchen in Annäherungen. Aber kaum dass ich die Schuhe und das Hemd aus hatte und mit geschlossenen Augen im dünnen Gras lag, kam zur Idylle passend störend eine Horde streunender Jugendlicher vorbei, die nicht auslassen konnten, mich zu begrüßen, mich zu betrachten und laut spöttisch zu kommentieren. Ich war froh, dass sie es dann dabei beließen und in einer anderen Ecke des Parks herumtollten. Sie waren lang und weit zu hören. 

 

Ich machte mich auf den Rückweg zur Eingangssituation mit den Verkäufern. Ich hatte inzwischen einigen Hunger, den ich mit einer mit ner Art Spinat gefüllten Blätterteigtasche stillte.

Im Tumult, am Rand auf drei Betonziegeln sitzend, suchte ich im Navi Orientierung und entschied mich zum großen Gate zu laufen. Ca. ne halbe Stunde hat das Navi angezeigt. Die Tuktuk-Driver wollten mich kaum entkommen lassen. Irgendwie hatten sie ja Recht. Es war viel zu heiß, um zu laufen und der Weg dahin bestand ausschließlich aus Bordstein-Bürgerstein-Geröllen, die das Laufen echt anstrengend machten. Rechts von meiner Schulter schattige Parkanlagen, ein riesiger Kinderspielplatz, aber von der Straße her kein Reinkommen und voll auf der Sonnenseite. Eine Einfahrtstraße, am Ende das Denkmal eines Siegers, aber vor mir zwei Wachmännchen, die den Durchgang verwehrten und auf die nächste Einfahrt verwiesen. Also noch mal 10 km im schönsten Sonnenschein bei endlosem Stauverkehrshupkonzert. Das wäre ein Endlosstücksound für Cohn Cage. Der Aufschrei der wilden technischen Tiere.

Dann endlich die Zufahrt zum All India War Memorial. Breit, lang, asphaltiert und Baustellen an jedem zweiten Meter, also Stolperpfad auf hohem Niveau. Aber dann kehrte Ruhe ein, in mich und Beschaulichkeit in die Situation. Die Gloria des großen Helden. Es stand nicht dran, wer es war, aber er sah aus wie die großen russischen Jungs aus Bronze bei uns oder in Moskau. Leider konnte ich durch den Schatten des Baldachins sein Gesicht nicht gut sehn, nur, dass er ne Brille trägt. Ansonsten, schlanker, dünner, es hätte Kim Jin Jun sein können.

 

Den Sieger im Rücken wendete ich mich dem gewaltigen Tor zu und bekam mein mir altbekanntes Bauchgrummeln bei soviel manifestierter Offiziösität. Zu groß, zu wichtig, zu lebensfeindlich. Wie viel Aufmerksamkeit erregte da am Fuße des Gebirges ein Streit zwischen einem Knabberkörnerhändler, dem wohl der Korb umgestoßen wurde und einem Passanten, der es vielleicht getan hat. Es gab laute Anteilnahme für und wider. Und alles wurde mit freiwilligen Geldspenden Umherstehender besänftigt, befriedet. Und der Händler schaufelte die Körnchen wieder in den Korb. Im Reiseführer steht ganz unzynisch. “Die Wände des 42 m hohen Triumpfbogens tragen die Namen der im Ersten Weltkrieges und während des afghanischen Abenteuers von 1919 für das britische Empire gefallenen indischen Soldaten.“

Zynisch denke ich: auf zu neuen Abenteuern Jungs, auf den Wänden ist noch Platz…. na gut, besser nicht.

 

Um vom Gate wieder zur Straße zu kommen, musste natürlich eine der endlosen langanhaltenden Alleen des Ruhmes  passiert werden, wie auf allen diesen Paradestrecken auf dieser Welt. Aber wenn man die Pläne von 1919 sieht, die waren in einer anschließenden Unterführung ausgestellt, samt Baugeschichte, fällt mir doch sofort olle Adolf ein und worauf er mit Herrn Speer hinauswollte. Das war gar nicht so unüblich für die Sieger aller Schlachten aller Zeiten. Und es müssen ja nicht immer Tonkrieger oder Pyramiden sein.

 

Vier Tuktuk-Driver bauten sich am Ende der Allee vor mir auf. Was sie wollten, wusste ich. Ich hob die Arme,  als ergebe ich mich, was sie erheiterte. Also zählte ich sie ab, wie bei einem Kinderspiel. Was sollte ich tun? Ich forderte sie auf, einen Boxkampf auszufechten, was sie total erheitert ablehnten und der älteste, ein Wortführer entschied, natürlich für sich, indem er mich unterhakte und mit sich führte. 

 

Nachtrag zum 19.10.2020

 

Eine kluge Bloggerin mit starkem Bezug zur indischen Geschichte, machte mich mit dem Namen des Kriegshelden, dem das baldachinierte Denkmal gewidmet ist, bekannt: Subhas Chandra Bose (23. Januar 1897 – 18. August 1945) Ich hab und ihr könnt unter
https://en-m-wikipedia-org.translate.goog/wiki/Subhas_Chandra_Bose?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sc  nachlesen.

 

Bose war ein sehr ambivalent zu sehender Politiker in Indien in 1930er und 40er Jahren. Ihn da als bescheidenen und ergebenen Kämpfer aufzubauen, ist eine geschickte altbekannte Ikonografie, die heute wohl unter nationalistischen Vorzeichen neu geschieht. Ich dachte, das Ding steht da schon seit den 1950er Jahren. Aber das Denkmal wurde anlässlich Boses 125. Geburtstages am India Gate installiert, ist also ganz neu, noch nicht einmal ein Jahr alt.

 

Fotos: https://en-m-wikipedia-org.translate.goog/wiki/Subhas_Chandra_Bose?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sc

Nach Tuk-Fahrt und Metro-Steh-Fahrt, denn die war voll, kam ich wieder bei Kalkaji Mandir an und ging zum Super-Smart-Bazar-Market. Tasche verkabelbindern lasen und los ging es. Ich fand fast alles Gesuchte schnell und war auch schnell wieder draußen. Am Metro-Eingang nahmen mich die Militärs, nachdem ich durch die Schleuse war, beiseite und machten eine gründliche Taschenkontrolle. Dann hatten sie es, das Messer. Ich hatte ein kleines Brotschneidemesser mit Sägezähnen gekauft. Es war nicht groß und auch noch in der Verpackung. Aber nix da, damit komme ich nicht in die Metro, auch nicht zwei Stationen, wie ich beteuerte. Im Gesicht des Jüngeren konnte ich sehen, dass er diese Lappalie durchgehen lassen würde, aber sein Chefofficer sagte nein. Dort belassen durfte ich „die Waffe“ aber auch nicht. Sie schlugen vor, ich bringe sie in die Supermarkt zurück. Mit Kassenzettel wäre das ja machbar. Ok. Ich also wieder runter in den Supershop, der um die Zeit rappelvoll Kunden, VerkäuferInnen in roten Hemdchen, Anlieferungs-beauftragten, Prüfern, Abteilungschefs und many others war.

Die Leute an der Info- und Returnstelle am Ausgang waren sichtlich überfragt. Was geht, was tun? Endlich hatten sie eine junge Frau ausgeguckt, die das zu regeln hatte. Erst mal wurde gerechnet, dann Kompetenzen abgefragt. Es waren mal drei bis vier Leute, die an dem Fall interessiert waren, mal war es nur die eine. Dazwischen ich allein am Tisch, die anderen auf Akquise-Jagd. Hinterm Schalter Schatten, ich vorm Schalter in der fetten Sonne. Ich nahm meine gekaufte Cola raus und nahm nen Schluck. „Wat n dat?“ So was geht nicht. Egal ich hatte meinen Schluck. Und ich war angefressen. Ich hätte das Ding gern einfach dagelassen, aber nun ließ der Wachmann hinter mir mich nicht gehen. Wenigstens brachte er durch ein, zwei Rufe wieder Bewegung in die Sache. Dann sollte ich mir, was zum Ersatz für die Kohle aussuchen (Kaufpreis ca. 1, 50 EUR). Ich schnappte die Erstbeste mir bekannte Keksschachtel. Ja, aber … nun verschwanden wieder alle. Nach ner Weile strömten alle wieder an und hatten noch ne kleinere Kekspackung und noch was kleineres Schokogiges dabei. Jetzt stimmten die Preise. Aha. Nun mussten nur noch alle Quittungen unterschrieben und gestempelt werden. Inzwischen hatte ich mit dem Messervorfall eine Stunde zugebracht und hinter mir meckerten weitere Kunden mit Problemen. Ich war durchgeschwitzt und reif für eine Pfeife. Aber das ging nicht in der Gegend. Am Greater Kailesh angekommen, zum falschen Ausgang aus der Metro und bockig meinen Weg gegangen. Falsche Richtung in Enclave 1 marschiert. Am Ende war das Tor aber verschlossen. Immer ab 16 Uhr wurde mir erklärt. Ich ließ mich von einem an diesem Dead-End parkenden Tuck-Driver retten und nach Enclave II fahren, 10 min Superartistikfahrt durch Stau und Stop&Go. Der Preis war ok und ich sehr froh, im Quartier angekommen zu sein. Ich war reif für zwei Pfeifen und zwei Whiskey und die Ruhezone. 

 


Donnerstag, 20.10.22

Ich glaube, ich habe  mich heute ein bisschen zu lang über den gestrigen Tag ausgegossen. Zumindest für nen Blog. Aber mir war so. Ich hoffe, die BlogleserInnen sind nachsichtig.

 

Noch etwas zum Schmunzeln: Frank hat gerade in den Anzeigen seiner Berlin-Friedrichshagener Nachbarschaftsgruppe die angebotene „verpackte Wurst“ verpasst. Die gibt es dort an Interessierte abzugeben. Interessiert ist er in jedem Fall, aber leider gerade in einer anderen Nachbarschaft. Ja, was würde Frank dafür geben, hier eine Knack-Wurst zu finden. Es gibt keine... jedenfalls nicht in normalen Läden hier in unserer Nachbarschaft, eher in den Ausländer:innen-Läden, den Deli-Läden Delhis.

Die wird es vermutlich in der Nähe unserer neuen Wohnung geben, na wir berichten sicherlich darüber.

 

Samstag, 22.10.22
Heute ein Gastbeitrag von Ann:

Ich bin viel Zeit mit der Metro unterwegs, da unsere jetzige Unterkunft eine Stunde von meinem Büro entfernt ist. Die Metro ist relativ jung. Vor 20 Jahren wurde mit dem Bau begonnen, Ende dieses Jahres soll das letzte Stück fertig werden. Ihr habt ja schon erfahren, dass mensch nicht mit Messern durch den Sicherheitscheck kommt. Den gibt es überall. Das Gepäck wird durchleuchtet und die Menschen müssen nach Männlein und Weiblein getrennt durch Metalldetektoren mit persönlichem Nachcheck wie am Flughafen. Nur so kommt mensch zum Bahnsteig. Dann gibt es überall ein Häuschen, in dem noch Guthaben nachträglich auf die Metrokarten geladen werden kann oder die „Token“ Plastikmünzen, die vorher gekauft werden müssen, aufgewertet werden können. Auf der Startseite unseres Blogs seht ihr die Metroplan mit lauter Zahlen. Die Zahlen stehen für den Preis der Strecke. Es sind von 20 bis 60 Rupien, je nach Entfernung und Dauer der Reise zu zahlen, bzw. in die Durchlassautomaten beim Einlass aufzulegen und am Ende einzuwerfen.

 

Frank hatte ja am ersten Tag berichtet, dass wir auf S-Kartenjagd waren. Mit der Metrokarte müssen nämlich nicht lauter kleine Plastikmünzen in unterschiedlichem Wert gekauft werden und dann ordentlich auseinandergehalten, welche Münze am Anfang der Fahrt auf den Einlassautomaten gelegt wurde, um sie dann am Ende wieder einzuwerfen. Ich hab natürlich gleich mal die falsche Münze eingeworfen und konnte dann die zweite nicht mehr nutzen, weil die am Vortag schon mal auf dem Einlassautomaten lag... Ich hab es nicht erklärt bekommen, am Ende gab es dann ja aber doch die Metrokarte, da muss ich nichts auseinanderhalten, kann flexibel aufladen und erhalte sogar noch 10 Prozent Rabatt auf 25 Eurocent für eine Fahrt zum Büro oder wieder zurück. Also die Preise sind überschaubar, vermutlich auch für Berufstätige erschwinglich. Deshalb ist die Metro auch immer gut gefüllt. Ich habe bisher nur zweimal einen Sitzplatz gehabt, aber auch nur zweimal „Ölsardinengefühl“, also alles eng zusammengedrückt. Meistens konnte ich entspannt stehen.

 

Ohne Frank gehe ich in den Frauenwaggon, markiert schön pink mit geschwungener Schrift, mit Blümchen und „Women only“-Aufschrift auf Aufklebern auf dem Bahnsteig und auch auf einem Schild, das über dem Bahnsteig hängt. Der Frauenwaggon ist meistens der erste eines Zuges, das bedeutet immer etwas mehr Weg auf dem Bahnsteig, aber das ist mittlerweile schon Routine für mich geworden. Meistens suche ich gleichzeitig mit dem Rosa-Schild auch das buntere Publikum auf dem Bahnsteig, denn viele Frauen sind farbenfroh gekleidet, aber auch eher blaugrauschwarz in Jeans und T-Shirt. Es ist immer eine interessante Mischung und ich werde oft länger beäugt, weil ich wohl nicht so recht in das übliche Bild passe (Stichwort: weiße Affen). Ansonsten ist es eben ein Frauenwaggon. Es sind öfter Kinder mit dabei, Einkäufe - vor allem jetzt zu Diwali wurden Unmengen an schön eingepackter Geschenke mit der Metro transportiert - und Handys, die dafür sorgen, dass die Fahrzeit schnell vergeht. Viele Frauen mit großen Rucksäcken, ähnlich wie ich - und am Freitag stand auch eine Frau mit Bauarbeiter:innen-Helm im Waggon.
Zwischendurch gibt es neben den Ansagen der nächsten Stationen wechselnd in Hindi und Englisch diverse Durchsagen zum adäquaten Benehmen: Keine laute Musik spielen, nicht auf dem Boden sitzen, keinen Kaugummi und andere Kausubstanzen ausspucken, nicht essen und trinken, und sich sofort unter einer bestimmten Telefonnummer melden, falls ein Familienmitglied von den anderen getrennt wurde. Gespuckt hat niemand, laute Musik habe ich auch noch nicht in der Metro gehört, aber Nichtessen und Nichtaufdembodensitzen werden gelegentlich ignoriert.
Außerhalb der Metrobahn gibt es dann weitere Ansagen: auf den Rolltreppen soll mensch innerhalb gelber Streifen stehen und den Handlauf nicht zu fest halten und es soll kein Müll in den Bahnhöfen weggeworfen werden. Das funktioniert super. Es ist sehr sauber (innerhalb der Metro. Ansonsten …) und die Menschenmassen strömen sehr diszipliniert beim Umsteigen von einem Teil des Bahnhofs zum anderen. Allerdings gibt es keinen Trott wie in Berlin, wo alle irgendwie in einen Gleichschritt verfallen. Es gibt einige Telefonierende und Daddelnde, die entsprechend langsamer sind und einige sehr Eilige, die sich durch die Lücken schlängeln und dazwischen sind die Durchschnittschnellen, die versuchen normal auszuschreiten ohne mit Langsamen oder Schnellen zusammenzustoßen. Ihr seht, es ist jedesmal spannend. Aber wir haben heute eine Wohnung angemietet, die deutlich näher am Büro ist und wo es dann vermutlich mehr Tuktuk-Geschichten gibt, weil mit dem Vehikel der Weg schneller zu bewältigen ist. Doch ich bleibe Delhi-Metro-Fan. 

 

Der Abend des Diwalivortages war schon eine Knaller- und Lichter-Vorspeise. Es wird wohl eine Mischung aus Weihnachten und Silvester. Auf jedenfall Volksfest. Überall wird gewaschen (dreimal hatte eine Frau von Gegenüber heute Morgen den ganzen Balkon vollgehängt und abgenommen.) Überall gibts Blumenketten, Keksschachteln und anderes Geschenkzeugs zu kaufen und Grins: Energie sparen, what? Vorm Hauseingang sieht es aus wie in ner Vorstadt von Las Vegas. Lichterketten machen es taghell mit warmem LED-Licht. Das Werbegedings dazwischen wirkt wie Bonbons in Glitzerpapier und die Lichter des Straßenverkehrs wirken wie hektischen Glühwürmchen. Ich bin gespannt auf morgen.

23.10.22

Ich hatte vor, am Sonntag Abend zur allgemeinen Gottesdienstzeit unterwegs zu sein, um zwei Tempel zu besuchen, die in der Nähe unserer Supermarkstation Kalkaji Mandir liegen. Dort angekommen, sollten es nur knapp 20 min Fußweg sein. Es war auch nicht zu heiß, eher mild. Nachdem es etwas bergauf ging, völlig ungewohnt in Delhi, eröffnete sich erst mal eine Touri-Giftshoppingmeile links und rechts der Straße von erheiternder Buntheit. Unendlich viele TukTuk-Drivers waren freundlich aber bestimmt abzuwehren, Unmengen an Familiengruppen zu überholen, mal oben mal unten vom Bürgersteig. Der war wie immer geröllig. Dann rechts ein Tor und es ging in einen weitausladenden Park, Wiese mit Wegen. Die bestimmten den Zuweg zum Tempel, der sich gewaltig in die Landschaft plumpsen ließ. Raumschiff ist gelandet. Beeindruckend. 

Lotustempel, der Name leitet sich von der Form des Gebäudes ab, das an eine Lotosblume erinnern soll. Das beeindruckende Architektur-Spulptur-Gebäude wurde 1986 eröffnet, ist superberühmt und ist ein herausragendes Beispiel moderner Architektur in Indien. Das Bahaitum ist eine weltweit verbreitete und universale Religion, die von Bahāʾullāh Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet wurde. Sie ruft dazu auf, die Erde als „nur ein Land und alle Menschen [als] seine Bürger“ zu betrachten. Schön.

Wie alle Sakralbauten der Bahai steht der Lotustempel Anhängern aller Religionen offen, da die Bahai glauben, dass alle Gläubigen Gott in ihren Sakralbauten anbeten können. So werden alle Heiligen Schriften in ihrer jeweiligen Sprache rezitiert und von Chören begleitet. Musikinstrumente oder religiöse Zeremonien sind nicht erwünscht. Bilder, Statuen und Altäre oder Kanzeln sind nicht gestattet. Eine neunseitige Kreisform bildet den Grundriss, was die Offenheit gegenüber anderen Religionen symbolisieren soll. Der Bau ist 40 m hoch und bietet bis zu 2500 Menschen Platz. Zusammen mit den neun umliegenden Teichen und Gärten umfasst das Gelände 10,5 Hektar (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Lotustempel).

Nachdem vorn am Pult Texte vorgetragen worden waren, erhob sich ein Teil der Menschen und ging ruhig Richtung Ausgang, wo er sich wieder in einen Strom formte. Nach der Ausgangstür wurde dann ausgeschwärmt, um Fotos vom Familienausflug zu machen.

 

Ein junges Mädchen (14?), das neben mir im Strom der Menschen zu laufen kam, wagte erst einen scheuen, dann einen überraschten Blick, dann ging es los, „Where do you come from?“ Ihren Eltern, die mit zwei ihrer jüngeren Geschwister ein paar Meter vor uns liefen, rief sie gleich zu, dass sie gerade einen Deutschen aufgerissen hat. Was sie für eine besondere Faszination für Deutschland hat, konnte ich nicht rauskriegen. Sie hat was gelesen, dann riß die Regulation des Besucherstroms und die anstehende Schuhablegeprozession uns auseinander. In der Warteschlange vor der Tempeltür standen wir dann wieder Seit an Seit. Schicksal. Ich bekam vom Supervisor eine Extra-Verhaltensansage in Englisch, was sie amüsierte. Ich dankte mit erhobenen zusammengelegten Händen Dann ging die Glastür zur Riesenhalle auf. Lotusblüte innen.

 

Danach wanderte ich keine 2 km weiter zum hinterm „Berg“ liegenden ISKCON-Tempel. Er wurde ab 1993 entworfen und gebaut und ist einer der größten Tempelkomplexe in Indien. ISKCON ist wohl der größte Zweig der Gaudiya Vaishnava-Tradition und hat seit dem frühen 16. Jahrhundert Anhänger in Indien. Die Religion ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Amerika und Europa verbreitet. ISKCON = Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein, als Hare-Krishna-Bewegung oder Hare-Krishnas bekannt, wurde 1966 in New York gegründet .

Die Grundlagen bilden hinduistische Schriften. Das Glory of India Vedic Cultural Center besitzt die „Astounding Bhagavad Gita“, das größte gedruckte Buch der Welt. Die in Italien gedruckte „Astounding Bhagavad Gita“ wiegt 800 kg und misst über 2,8 Meter, wurde 2019 im Beisein des indischen Premierministers und des Kulturministers sowie Tridandi Sannyasi Gopal Krishna Goswami präsentiert. (siehe Wiki) Ganz wichtig! So erklärte es der „Museumsführer“, der seit meinem Eintreten um mich herumsprang und entdeckte, dass ich Englisch spreche, und dann sehr schnell indisches Englisch wechselte und erklärte und erklärte. Er war schon zweimal in Köln, kannte den Dom und freute sich über deutschen Besuch. Schade, dass ich die Krishnagemeinde in Berlin nicht kenne. Tja. Auf meine Frage nach einem Grund für die spezielle architektonische Form des Baues konnte er mir leider keine Antwort bieten. Schnell hatte er mich in die Multimediashow abgeleitet. 

Der Tempelkomplex beherbergt das Glory of IndiaVedic Cultural Centre. Es wird als beliebtes Ziel für Besucher und Touristen beschrieben. Ich war allein in den Bhagavad Gita Animatronics - einer Mischung aus dramatischer Erzählung, Figurenaufstellungen, Licht- und Laserprojektionen über die fünf Hauptkonzepte der Bhagavad Gita, die drei Erscheinungsweisen der Natur und die darin vorgestellten Yoga-Systeme. Was ich da gesehen und über mich mit gottesgewaltiger Stimme und dramatischster Musik von Orff- bis Starwars-Sound hereinschlug, musste ich mir hinterher erst mal aus dem Netz erlesen. Erschlagend. Gehirnwäsche auf 45 min perfekt inszeniert und präsentiert. Nur der Aufpasser war etwas anstrengend. Er hatte wohl Sorge um meinen Zustand und wuselte ständig um mich rum, ohne etwas zu sagen. Er wies nur mit der Hand zur nächsten Tür zum nächsten Vorführteil.

 

Starker Tobak da alles und zuviel Text im Blog, ich weiß. Aber ich war dann so begeistert von einer Lebendigkeit, mit der da (siehe Fotos) ein Sonntagabendfest vor dem Diwalitag gefeiert, also getanzt und gesungen wurde mit Kindern und Alten, Männern und Mönchen auf der einen, Frauen auf der anderen Seite des Saales, dass ich die „Kopflast“ die sich da "weggetanzt" wurde, mal hinschreiben musste.

Der Vermieter mit Frau kamen zu Besuch, festlich herausgeputzt. Er erzählte...

Ein Prinz sei nach 14 Jahren Abwesenheit wieder in seine Hauptstadt zurückgekehrt. Zu seiner Begrüßung stellten die BewohnerInnen kleine Tonschalen mit Kerzen darin auf. Die Tonschale ist das Diiip (Deep) und das Licht ist das Wali.

Happy Diwali wird zusammengesprechnuschelt und unterbetont zu einem hä...

 

Der Besuch des Hausbesitzers in statusgemäßer Bekleidung war eine angenehme Überraschung. Seine Frau und der Bedienstete machten Licht im Hausaltar und eine Räucherkerze wurde angesteckt. Es gab die sssssüüßesten Pralinen. Woow. Mein Künstlersein machte ihn neugierig und er schaute sich kurz meine Webseite an. Wir plauderten. Festival of Shopping“ sei Diwali, erzählte er gut gelaunt. Das stimmt sicher.

 


Montag, 24.10.22

Früh wollten wir einen entspannenden Spaziergang durch den anliegenden Park machen. Es wurde Mittag, nicht mehr so früh, nicht mehr so entspannt, weil ganz schön heiß.

Die Streifenhörnchen waren in Massen vor Ort und ein Pfau gab sich die Ehre. Den Fototermin ließ er sausen. Der Rest des Tages verging am Laptop. Wir erwarteten das große Geknalle und die Raketensternenbüschel am Abend. Aber die sind dann wie immer hinter den sieben Bergen, von wo man nichts oder wenig sieht und hört.

Ganz meine Silvestererfahrung, wenn man nachts um zwei nach hause wankt und denkt, dass woanders noch die Party tobt und da muss ich noch hin. Unsere Seitenstraße ist längst beruhigt. Selbst unser Gemüsehändler hat schon zu (20 Uhr !!) und die Wächter und Tukfahrer stehen entspannt herum. Es ist kaum Verkehr und es gibt wenige umherstreunende Jugendliche. Auch kein Partygelärm aus Gebäuden, die Firmenfeste waren sicher schon am Nachmittag gegessen. Vielleicht sogar schon gestern absolviert, wie bei der Wohnungsgesellschaft.

Aber ganz wie bei uns zu Silvester böllert der Vater mit den Kindern im Hausflur, dass es nur so scheppert. Die Nachbarn kommen dazu. Kein Trinken, kein Getränk. Alle wünschen mir in einen ungeordneten Chor ein vielstimmiges Haaaaappydiwali. Das Scheppern der Knaller und das Lärmen der Kinder ging noch lang. 

Nach 21 Uhr ging doch noch ein gewaltiges stadtweites Geballere los. Vom Balkon konnte man es gut hören, aber sehn nichts, vielleicht wegen des Dunstes der angekündigt und gekommen war bei noch satten 24°.

 

Die Diwali-Ballerei geht nun schon den dritten Abend und macht es ab und zu anstrengend, auf dem Balkon zu stehen und ein Pfeifchen zu rauchen. Eben knallte es wieder gewaltig im Hof. Ich erschrak! Tagsüber ist aber alles ruhig und wie „immer“ - alle Läden sind offen und der Verkehr hat seine übliche Stärke wieder. Ich hab die letzten zwei Tage an Zeichnungen von meiner Aussicht im Hof laboriert, den wir ja nur noch knapp eine Woche haben, da wir umziehen, Fotos sortiert, eingekauft, Abwasch gemacht, gewaschen.

 

Wir haben uns ein Reiseziel für unsere angedachte Reise um Weihnachten herum ausgeguckt auf der großen indischen Landkarte. Verkehrsbedingungen sind dabei neben der Häufigkeit von Besehenswürdigkeiten ein wichtiger Punkt. Die beiden Reiseführer, die ich dabei habe, sind da nach meinem Geschmack nicht so ergiebig. Und im Netz muss man sich den ganzen Kram zusammensuchen.

 

Der Dunst in Dehli wird dicker auch schon um Mittag. Es liegt was in der Luft. Die Viecherchen werden mehr. Ein Streifenhörnchen befiepte unseren Hinterhof ausdauernd aufgeregt und laut, war aber nicht zu sehen. Zwei Tauben führten ein seltsames Spiel auf, als wenn die eine wie ein Jungvogel durch den Schnabel gefüttert werden wolle, belagerte sie die andere, dann sah es wieder aus, als wäre es ein Vorspiel zum Bespringen. Allein, die Auserwählte war zu beidem wenig bereit. Die Taube, die in ihrem Klofensterhäuschen gegenüber Quartier bezogen hatte, blieb eisern, ließ sich von dem Theater nicht irritieren, hackte Angreifer weg. Ein grüner Vogel (Papagei?) flog mehrmals mit lautem aufgeregtem Ton über den Hof hinweg, verschwand, kam wieder, einige Male. Dann war es wieder lange seltsam still. Indisch.
Alles während ich brav Wäsche wusch. Abends aßen wir wie zuhause Quark mit Kartoffeln und Tomatensalat. Nur war der Quark ein anständiger Joghurt. Morgen solls Eier mit Senfsoße geben. Der Senf wird nicht aus Bautzen sein und Eier muss es geben, da wir aus Versehen noch 24 Stück im Kühlschrank haben.

 

Morgen will ich wieder auf Tempelfahrt. 


Donnerstag, 27.10. 22

Per Metro ging es über Kalkaji Mandir, den Yamuna River querend, über Botanical Garden  nach Akshardham Station zum Temple.

Also raus aus der Station und runter, einmal links und einmal rechts, und man stand vor einem unendlich riesigem Parkplatz, weit im dunstigen Hintergrund der Tempel. Er muss es sein, ich kenne ihn schon aus dem Internet. Dieser Riesenlandeplatz für Autos und angliedernd gleich Gitterbahnen zum Regulieren von BesucherInnenanströmen war für mich schon ein kleiner Dimensionsschock.

 

Die Parkplätze auf dem Tempelhofer Feld und ihr Regulationssystem um die Impfwilligenanströme zur ersten Coronawelle zu bewältigen, war schon beeindruckend. Aber das hier ging noch eins drüber.

Indisch groß.

 

Bloß waren nur ein paar Hansels da, die nun über diese riesen Fläche durch die Sonne taumelten. Am Ende des Spielfeldes wurden sie dann empfangen von Kontrollpersonal.

Es mussten Scheine ausgefüllt werden. Es gab Taschenkontrolle und Leibesvisitation wie in der Metro oder am Flughafen. Und inzwischen hatten sich auch schon Schlangen gebildet. Es zog sich und war warm.

Ich wurde auch mein gut am Körper getragenes Handy los und war etwas sauer, weil ich nun nicht fotografieren konnte, wie es mir passt. 


Samstag, 29.10.

 

Ab 16:30 konnte man den Dunst in den Straßen sehen und spüren. Es war schwül warm. Wir waren auf dem Weg durch den benachbarten Park zu einem „Einkaufszentrum“, das von Anns Kollegin Empfohlene. Das soll erst ab 12 richtig im Gange sein. Letztens waren wir zu früh unterwegs.

Der Skorpion lag auf dem Weg. Huch! Er war, also ist nicht tot. Deswegen - Achim, das unscharfe Foto. Ich hab gezuckt. Und nochmal wollt ich nicht.

Gegen 15 Uhr waren wir in der Gegend des Marktet M, nachdem wir ein Viertel für exklusive luxuriöses Apartments durchquert hatten. Luxuskarossen endlos und vor jeder Hütte mindestens ein gelangweilter, dösender Wachmann.

Für mich war nur die „Skulptur“ interessant.

In dem  etwas gehobeneren Einkaufsviertel fand Ann einen Insekten-Elektrisier-Tennisschläger und hofft, damit die Mücken von sich fernzuhalten. Irgendwie sind die Viecher von ihrem tollen Apothekenmückenspray völlig unbeeindruckt.

 

Des Weiteren: Notizbuch Nr. 2 in drei Wochen war toll und super preiswert und endlich ist die Entscheidung für selbst zu bemalende Postkarten gefallen. Aber Market M bot neben „Delikat“-Läden auch spezielle Büdchen.

Vielleicht war es auch nur Glück, der ältere Herr, der nach dem Verkäufer unseren Einkaufszettel zu lesen versuchte, hatte mehr Überblick. Er kam von Caraway – Kümmel auf Adjaam oder so ähnlich…. Und von Brühe – broth powder auf chicken cubes, Maggi und Knorr halfen auch bei der Orientierung (Hühnerbrühebrühwürfel). Bingo!

Langgesuchtes wurde gefunden. Und im „Deli“ wurde das noch getoppt durch das Finden einer großen Büchse Schweinefleisch im eigenen Saft. Nach drei Wochen überwiegend vegetarischer Kost: Fleisch! Wie in Studentenwohnheimzeiten: Erst die Nudeln im Topf, Fleisch drauf, wenn Nudeln durch und Wasser raus, Brühwürfel dazu und Ketchup rüber. Und los: LECKER.

Ann war von den Gerüchen leider überhaupt nicht begeistert.

 

Ach ja: Die Dewali-Werbung hat durch die Händlervertretung den Hinweis auf Weihnachten dazugewonnen. Aber der Boss bleibt auch präsent.

 


30.10.22  / Gastbeitrag von Ann:

Alte Bekannte im Nationalmuseum. 

Heute sind wir vier Stunden mit zwei Pausen im Open-Air-und-Air-conditioned-Raum-Museumskantinencafé durch das, bzw. vor allem um das Nationalmuseum herumgetapst. Draußen umgibt das Museumsgebäude ein schön gestalteter Park mit freistehenden größeren Einzelstücken wie Säulen, Tor, eine seltsame steinerne Blumenkanzel u.a.. Die Gebäudemauer ist in guten Abständen umringt von vielen tollen Skulpturen zum Teil aber leider ohne Beschriftungen, von Beschädigung gekennzeichnet und von Dauerbaustellen umzingelt. Unter https://en-m-wikipedia-org.translate.goog/wiki/National_Museum,_New_Delhi?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sc in der Kontroverse ist zu lesen:

"Die UNESCO legte 2010 in der ersten Studie dieser Art einen Bericht vor, der das Nationalmuseum zusammen mit sieben anderen Museen als schlecht gepflegt, schlecht beleuchtet und mit falscher Beschilderung bewertete. In einer Antwort des damaligen Ministers für soziale Gerechtigkeit und Empowerment und Tourismus sagte Selja Kumari in einer schriftlichen Antwort an das Parlament, dass die Bewertungen und Ergebnisse des Berichts ungültig seien, da die Nr. der Vermessungsingenieure unzureichend war."

Tja, also der erste Eindruck schien irgendwie dem Bericht zu entsprechen. Wir umrundeten einmal das Gebäude und sahen wohl gut 200 Skulpturen aus dem 2. bis zum 19. Jahrhundert... einfach unglaublich vielfältig und für diesen Schatz etwas nebensächlich und uninszeniert drappiert. Nebenan Bordstein, Klimaanlagenkondenswasserschläuche, Elektrokabel, ja eine Skulptur sogar eingerahmt von 6 Klimaanlagen und einer Parabolantenne. Wirklich absolute Gleichgültigkeit. (Frank: Ich würde es Respektlosigkeit der einen mit ihrer Arbeit gegenüber der Arbeit anderer nennen.) Das Museum wurde in den 1950ern konzipiert und wahrscheinlich auch die Figuren damals so aufgestellt. Jetzt ist alles  im Außenraum etwas vernachlässigt. Wir waren auch die einzigen, die den Rundgang unternahmen. Es sah nicht so aus, als würden oft Besucher:innen die Rückseite des Museums sehen. Jedenfalls gab es keine Aufräumanstrengungen, überall eher der Anblick von Betriebsgelände und Bauhof. Die die Skulpturen der Gottheiten stehen einfach dazwischen, dickbäuchig (Gott des Wohlstandes), elephantisch (Ganesh), mehrarmig (Durga) und viele, viele andere, deren Namen und Geschichten wir noch nie gehört und auch noch nicht behalten haben.

 

Ich machte mir bald Sorgen, dass der Speicher auf Franks Handy voll ist und dann meins weiter gefüllt wird mit Bildern.

 

Dann eine Sonderausstellung zu Buddhismus in einem Nebengebäude. Schwer beeindruckend die Stücke und auch die Ausstellungsräume, auch etwas interaktiv und animiert. Immerhin stand in der Buddha-Ausstellung nicht einfach nur „stone“ (Stein) dran wie draußen bei den Statuen, sondern auch die Steinsorte, Schiefer, Sandstein, noch ein Schiefer mit einen anderen englischen Wort. Tafeln zur Geschichte gab es in Englisch auch. Und unser Staunen: was für eine handwerkliche Meisterleistung, deutlich viele Jahrhunderte vor den europäischen „Leistungen“, die immer so im Zentrum unserer Beschäftigung mit Kunst stehen. Nach einer kulinarischen Stärkung begleitet von Tee und Kaffee ging es dann nach drei Stunden in „das“ Wir hatten uns schon den Plan für den 90-Minuten-Rundgang besorgt, damit wir uns nicht zu sehr verfransen. Aber aussichtslos: nach einer Stunde Staunen in der ersten Etage haben wir abgebrochen und beschlossen wiederzukommen. Immerhin haben wir ein Fragment des Tors von Sanchi gesehen. (Frank: leider nicht fotografiert.) Sanchi wurde schon von Frank als Reiseziel auserkoren, weil es dort die ältesten buddhistischen Skulpturen in Indien gibt. Mir kam das Tor im Hintergrund auf einem Schwarz-Weiß-Foto irgendwie bekannt vor... und ja Volltreffer. Ich habe bisher nur ein einziges Mal ein derartiges Tor gesehen: im Hofgarten des Ethnologischen Museums in Dahlem. Das Museum, das jetzt ins Humboldt-Forum umgezogen ist oder wird.
https://books.ub.uni heidelberg.de/arthistoricum/reader/download/95/95-17-7552-1-10-20160811.pdf 

 

Der Artikel endet damit, dass das Tor nicht mehr aufgestellt wird.

Seit 2017 scheint es aber Pläne zu geben, einen neuen Abguss für die Außengestaltung des Humboldt-Forums zu verwenden https://www.preussischer-kulturbesitz.de/meldung/artikel/2017/02/09/soll-das-sanchi-tor-aus-dahlem-vor-das-humboldt-forum.html

Das wird diskutiert. Ich finde das Humboldt-Forum ohnehin schwierig. Altes Stadtschloss auf abgerissenem Palast der Republik und dann ethnologische Sammlungen präsentieren in originalgetreu aufgebautem Preußenschloss mit Kreuz obendrauf und einer Kuppelbeschriftung: „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ Nunja, ob das in einem multikulturellem Berlin und Deutschland als Einwanderungsland in den 2020ern die richtige Botschaft ist, bezweifle ich. Eine zeitgemäße Aneignung wäre wichtig gewesen, wenn da schon soviel neuer Gussbeton auf alt getrimmt wird. In jedem Fall liegen die Gipsformen für das Sanchi-Tor in Friedrichshagen im Depot der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, also bei Frank um die Ecke.

Aber das Original ist zum Glück vor Ort stehengeblieben und wurde nur abgeformt nach London und Berlin in Kopie gebracht. Vielen anderen Kunstwerken und Kulturgütern ist es anders ergangen, die wurden einfach mal eingesackt und ins jeweilige „Mutterland“ weggeklaut. Aber so können wir zumindest diesmal das Original bei Bhopal in Sanchi besichtigten fahren.

 

 

 

Mich hat das, was da heute an Skulpturen zu sehen war von der Qualität und Ausstrahlung und der Masse so umgehauen. Ich konnte nix dazu schreiben, bin noch am Fotos anschauen. Irgendwo nah in der Stadt tobt ein Konzert sehr laut zu uns herüber. Dann gabs – upps- Stromausfall. Das einzige was noch leuchtete, waren die Bildschirme. Aber bald war das Licht wieder an, also wieder Strom in Town. Aber nun hatte ich kein Internet mehr. Und das blieb erst mal so. Bis jetzt.