Donnerstag gab es dann Kino in Anns Büro, von ihrer Kollegin organisiert. Der indische Film „Unlimited Girls“ wurde gemeinsam geschaut und auch noch etwas diskutiert. Dann hat sich alles schnell verlaufen, alle müssen ja vor 22 Uhr wieder die Tore passiert haben, die ihre Wohngebiete vor wem und was auch immer schützen sollen. Am Samstagabend noch mit Anns Kollegin und deren Freundin essen. Wieder im Jamun, wo wir schon dreimal waren und wo diesmal leider so mörderisch laut eine Kinderfilmmusike lief, dass ich nicht nochmal hingehen mag. Außerdem kriegt man da Stühle, wo man als Rückenproblematischer nicht gut sitzen kann. Vor dem Kino war ich bei wunderbarem Sonnenschein und Abendlicht noch im Lodhi-Garden. Die Bauten gefallen mir immer besser und die Stimmung dort ist toll.

 

Sonntag, 05.02.23 

Ich habe so das Gefühl, als hätten wir gar nichts Aufschreibenswertes gemacht. Das stimmt zwar so nicht, aber manchmal an einem schönen Sonntag, wenn man faul in der Sonne auf dem Balkon sitzen kann, kommt es einem so vor. Wir hatten gestern und heute 24 Grad am Nachmittag. Das stimmt gelassen und freundlich. Wir haben einige Wohngebietspaziergänge gemacht, einfach des Wetters wegen ohne spektakuläre Ziele. Ich kam mal wieder zum Zeichnen, hab das von Anns Kollegin empfohlene Buch „Die Experten“ durchgeschmökert und war ziemlich mitgenommen davon. Am Mittwoch waren wir im Goethe-Institut, um den Film „Ivie wie Ivie“ zu sehen. Draußen auf der Wiese, es war sehr kalt und die Leute hinter uns haben sich lieber unterhalten als die Untertitel zu lesen oder den deutschen Dialogen zu folgen. Wir waren dann am Ende vor allem durchgefroren, fanden den Film aber sehenswert. Der einen dauerquatschenden Gruppe habe ich Disney-Land anstatt Goethe-Institut empfohlen. 

 

Und das wichtigste: Der Blog funktioniert wieder. Warum? 

 

Einmal beim Goethe-Institut wollte ich mir nun endlich mal den Agrasen ki baoli anschauen, nachdem ich darauf hingewiesen wurde, dass der ganz in der Nähe sei, was anhand der mir bekannten Fotos unwahrscheinlich erschien. Agrasen ki baoli ist ein in den Boden gegrabener Wasserspeicher, der von einer  Seite durch Stufen begehbar ist. Er diente als Wasserreservoir, Erholungsort an heißen Tagen, für Rituale und religiöse Zeremonien. Er wurde in den Zeiten des König Agrasen erbaut und nachweislich unter den Sultanaten in Delhi im 15. Jh neu errichtet. Der „begehbare Stufenbrunnen“ beeindruckt durch klare Form, schlichte Zweckmäßigkeit, sein gewaltige Größe, bzw. Tiefe (60 x 11 m) und das solide Bruchsteinmauerwerk. Er bietet auch heute noch angenehmes Klima zu Entspannung und Erkühlung.

Heute früh konnte ich vom Botschaftsarzt meine Medikamente holen. Im Botschaftsviertel wimmelte es an Militär und die Tuktukfahrer waren hektisch. Mein Gefährt bremste einmal sehr heftig, um einen querenden Fußgänger nicht zu doll anzufahren. Lautstarke Kommentare gegenseitig und zu mir ein kurzes naja-peinliches Grinsen und Entschuldigen vor den Göttern? Mein Kopf schlug nur leicht am Gestänge des Verdecks an. Ende gut, alles gut.

Seit drei Tagen machen wir gegen 22 Uhr „Nachtspaziergänge“, um herauszubekommen, wie sehr unser Wohngebiet durch Gitterzäune und Tore, die eine Durchfahrt und auch das Rauskommen unmöglich machen, versperrt sind. Sie verhindern ein einfaches Durchqueren der Strecke von unserer Wohnung zu Thomas Quartier an der Ring Road ab 22 Uhr. Man muss dann die wenigen kleinen offenen Tore samt Umwegen für den abendlichen Heimweg kennen. Sonst läuft da nix. Nach zehn ist es im Dörfle deshalb ruhig, wenig Verkehr, der einen beim Ausschreiten stört, ganz wenig Gehupe und wenn die Hunde sich beruhigt haben, kann man es Ruhe nennen. Aber jeder Wohngebietsblock hat seine Türchen und Tore. Bis in die Ringroad muss man auf direktem Wege einige durchqueren und über die Metro oder eine Hauptstraße. Da kommt dann einiges zusammen, was es schwer macht, gute Entscheidungen zu finden. Bleiben nur noch Tuktuk und Taxi. Das wäre zwar preislich verschmerzbar, aber die stellen ihren Dienst ab 21 Uhr auch so ziemlich ein.

09.02.23

 

Sch…, kein Strom. Wie lange schon, keine Ahnung. Wollte mir gerade einen Schluck Musik gönnen. Da schaute mich die dunkle Kühlschrankhöhle an und das Internet ist wahrscheinlich deshalb nicht ansprechbar. Der Laptop läuft noch auf Akku. Mal sehen, wie lange. Und nun hatte ich mich gerade aufgerafft, mal wieder ein bisschen zu bloggen und etwas aus dem unfreiwilligen Stillstandzustand zu berichten.

Ich fühl mich seit heut Vormittag  müde, verschnupft, angegrippt. Das kommt noch zur Unzufriedenheit  über die unbeglückende Situation des Wartens dazu, denn mehr können wir seit gestern nicht tun. Wir warten auf Thomas, der eigentlich schon am 8.2. um fünf Uhr früh in Delhi einfliegen wollte. Aber die  Sache mit dem Visum will nicht klappen. Erst war es ein falsches Datum, dann eine Betrüger-Web-Adresse. Nun warten wir hier, was sich in Berlin ergibt, blöde, Terminverschiebung gern, aber wann dann, ist nun noch nicht klar. Alles war von unserer Seite (Ann hatte die Arbeit damit) für die Fahrt nach Agra und Jaipur, Übernachtung und Zug etc. vorbereitet. 

10.02.2023

 

 

An diesem Wochenende soll es in Delhi ein Food Festival – ein Burrp Fest – geben. Ab heute Abend im Jawaharlal Nehru Stadium, in dem Klopper, den wir von unserem Balkon des Öfteren erleuchtet sehen und hören. Ich hatte mich im Netz ans Suchen gemacht, hab aber keine Infos zu Programm, Preisen usw. kriegen können. Als sich nichts ergab, beschloss ich heute morgen einfach mal hinzulaufen und zu kucken. Aber es gibt kein Infostand, Kartenvorverkauf oder irgendwas. Zwei Wächterfiguren beteuerten mir nach intensiver Nachfrage, es gäbe kein Festival im Stadion dieses Wochenende. Ok. Schade. Nach unserem enttäuschenden Gespräch gestatteten sie mir gnädig, das Stadion zu visiten. Ich erklomm eine Auffahrrampe und Treppe bis in die mittelhohen Sitzreihen und hatte einen tollen Rundumblick in dem riesigen Stadionrund. Beim Verschieben der Fotos vom Handy auf den Laptop ist mir unbemerkt ein Fehler unterlaufen. Die Fotos waren weg. Ich war schwer irritiert und merkte daran, wie angespannt ich bin. Aber Ann hat es gerettet. Es gibt Stadionfotos.

11.02.

 

Ich bin zurück von meinem Nachtspaziergang, den ich heute allein machen musste. Ann hatte zu arbeiten und zoomen. Den Lärm vom Stadion ignorierte ich. Es war schon fast elf, zu spät um da noch hinzulaufen.

 

Ich machte meine Runde durch den Käfig, fand aber die Straße mit dem Ashram-Tempel nicht wieder. Der sah in der Dunkelheit, angeleuchtet durch seine Strahler inszeniert mystisch aus. Ich hätte gern ein Nachtfoto gemacht. Tagsüber hatten wir ihn noch nie gesehen. Allein ist es in den nächtlichen Sträßchen noch mal anders. Die Wachmännchen kommen aus ihren Häuschen, um mich intensiver stumm prüfend anzuschauen. Selbst den Hunden ist ein einzelner Fremder überprüfenswert. Einer aus dem 1. Rudel leckte mich zur Kontrolle an der Hand, wozu er mich erst einmal umrundete und dann von rechts hinten seine Schnauze in meine hohle Hand stieß und dann gleich wieder abließ. Vom 2. Rudel, das sich mir entgegen aus der Liegeposition erhob, schnappte einer tatsächlich nach meinem Hosenbein. Und ein warnendes Gekleffe erhob sich. Die Wachmännchen traten hervor, sahen sich um, aber dann wieder auf ihre Handys und zwei Schritte weiter hatte sich alles wieder zur Stille davor beruhigt.

12.02. 2023

 

 

Der Startschuss ist gegeben. Die Verwirrung hatte sich noch leicht gesteigert. Zur besseren Kommunikation wurde nun eine WhatsApp-Group gegründet. Jetzt ist klar, Thomas kommt (soll, will, kann) am 14.02. früh um fünfe in Delhi eingeflogen sein. In Berlin geht es heute zur Wahl.

14.02.

Thomas ist pünktlich 5:00 „soft gelandet“ und musste dann auf mich in der Baggage Halle warten. In meinem Viertel fuhr nix, also lief ich zur Metro. Die erste Metro fährt erst kurz nach 6 Uhr. Also versuchte ich auf der Straße ein Tuktuk anzulocken. Viele waren noch nicht unterwegs. Der zweite war zur Tour bereit, aber ich merkte, er hatte keine Ahnung, wo es hingehen sollte, er verstand kein Englisch. Das Navi half weiter. Ok, er verfuhr sich, wollte nicht ins Flughafengelände einfahren, durfte dann auch nicht, wurde vom Personal gestoppt. Ich stand dann irgendwo an einer Straße zwischen Landebahnen und Parkhausauffahrten. Eh ich den richtigen Weg zu T3 hatte, verging Zeit. Kurz nach 6:30 hatte ich Thomas dann im Blick in der Empfangshalle. Auf die erste Bahn ins Zentrum mussten wir auch noch 10 min warten.

Das Stadtleben hatte noch nicht begonnen. Als wir gegen acht dann in der Ringroad ankamen, war der Vermieter wenigstens schon wach und noch da und empfangsbereit. Begrüßung, Einweisung in die Gegebenheiten, Höflichkeiten, Anmeldepapiere. Naja was eben so muss.

 

Thomas war müde, ich war müde. Was ging an dem Tag noch? Ich musste zur Bibliothek ins Goethe. Da war die tolle Stufenbrunnenzisterne gleich in der Nähe. Die hab ich Thomas  als erstes vorgestellt. Die kleine Moschee anbei hab ich beim ersten Mal auch nicht gesehen. Thomas schreibt am 16. darüber, was noch ging am 14.02.: …über einen Markt (Gemüsemarkt) durch das Markt-Viertel in der Nähe des Defence Colony Parks mit Suche nach einem kleinem Tempel (Straßenzugang), zu einem kleinen Park, ausruhen, dann zu dir in die Whg, und nach einkaufen (SIM-Card für das Delhi-Handy bei den Sikh-Twins, Brot und Schnaps-Laden) hast du mich zu meinem Quartier gebracht (klingt nach nix, war aber Laufstrecke und hat gedauert). Vorher noch den Supermarkt in meiner Gegend inspiziert, dann war 18 Uhr Abschied und du bist zurück gelaufen. Ich war platt.

15.02

Der gestrige lange Tag mit Schlafdefizit hat geschlaucht. Für heute hatten wir uns Lotustempel und Iskcon-Tempel vorgenommen. Die  liegen nah beieinander und  sind von der Metro gut zu erreichen. Das ganze Vorspektakel war wieder gewaltig von Tuktukanbietern und Gides, Verkaufsständen, Publikum und Bettlern, einem bunten Gemenge angefüllt. Interessierte, animierte und inspirierte Menschen. Diesmal habe ich die Info-und Bekehrungshalle des Lotustempels nicht ausgelassen. Bahāʾullāh, der Gründer ruft  Mitte des 19. Jh. dazu auf, die Angehörigen unterschiedlicher Religionen, "Ethnien" und Nationen einander als Mitglieder einer vielfältigen Menschheitsfamilie zu begegnen. Die Bahai-Religion sieht sich als weltweit verbreitete, universale Religion.

 

Der Iskcon Tempel fährt schon von seiner architektonischen Erscheinung und der Präsentation seiner Inhalte und Götter einen ganz andern Stil. Aber eine Feilscherei an der Ticketkasse hielt uns ab, die Multimedia-Präsentation zu besuchen. Und ich muss auch sagen, bei Tageslicht und Publikumsverkehr am Wochentag drehen sich einige Wirkungen von dem was ich am Sonn- und Feiertag im Dezember erlebt habe um. Aber es bleibt irgendwie …. beeindruckend. Thomas ist voll dabei auf der Suche nach dem Besonderen, Anderem.

 

16. 02

 

Die große Moschee und das Rote Fort daneben wurden Thomas in Deutschland als wichtige Sehenswürdigkeiten angepriesen und so wollte er da mit seinem knappen Zeitbudget auch unbedingt hin. Gar keine Frage, machen wir. Und den Markt um die Moschee herum fand ich nun wiederum wichtig zu erleben, bzw. zu spüren, zu hören und zu sehen: ein Ereignis der Sonderklasse. Und es war auch so anstrengend schön. Danach durch den Hof der Moschee zu spazieren und in einer Nische hocken und Visitors zu beobachten, war die pure passende Entspannung danach. Um zum Fort zu kommen, ging es dann doch mal halb um die Moschee rum und die dicke Hauptstraße mit samt ihrem Marktreiben war zu überwinden. Und zum ärgerlichen Abschluss gab es diesen ewig langen Hin- und Her-Anlaufweg zum Eingang der Burg. Dieser demonstrativ durch Länge und Höhe vorgezeigte Verteidigungs- bzw. Militärcharakter gab mir schon beim letzten Mal zu denken. 

17.02.

 

Wie oft in meinem Leben habe ich mir alte, ausgediente militärische Anlagen und Gebäude angeschaut? Angefangen als Kind die Burg Ranis, die Leuchtenburg, usw. usw., bis hin zur Zitadelle Spandau u.a., sogar den Kreml. Gemeinsam ist allen und auch dem Roten Fort, dass ihr militärischer Grundgedanke über die Zeit und Umgestaltungen zu Parkanlagen, Erlebnisparks, Historienmuseen u.ä. Neunutzungen in den Hintergrund geraten ist. Die Forts in Dehli wirken erst einmal wie Parkanlagen in gewaltigem schützenden Mauerwerk. Und wenn man sich dann anfängt zu fragen, wie denn das riesige Gelände früher genutzt wurde, muss man anfangen nachzulesen. Und bald hat man die kriegerischen und unterdrückerischen Absichten, die hinter diesen Bauten und Anlagen stehen, wieder klar vor sich. Das ist auch beim alten Fort in der Klarheit seiner Anlage deutlich sichtbar, trotz Moschee und Bibliotheksturm und den neuzeitigen Museen und Parkanlagen. Wir sind vom Khan-Market aus hingetuckert. Ich wollte mir die Kraft für die langen Spaziergänge durch das alte Fort und danach ums India Gate sparen. Vor dem Fort fiel mir sofort auf, dass der Kinder- und Tuktuktrubel fehlte. Erklärung: Der Tierpark war geschlossen. Eintrittspreise wurden uns normal abgeknöpft, aber im Fort waren dann beide Museen geschlossen. Watnbeschiss! Was war los? Wir waren erklärungslos.

Am India-Gate war die Welt wieder in Ordnung. Ringsum der Rasen war zum Wiedererblühen bis auf supermatschig gesprengt und die Gartenbauer waren voll am werkeln. Unmengen an uniformierten Schulklassenschüler- und schülerinnen wurden belehrt, herumgeführt, führten Gesänge auf, zogen lärmend weiter. Dann Pinkelpause. Ca. 200 Schüler und Schülerinnen fielen nach kurzer mündlicher Einweisung durch Lehrer:innen und WC-Personal in einem großen Schwall in die Toiletten ein. Ich erreichte zum Glück eine Buchte für mich, mit dem Pech, dass die Tür nicht abzuschließen war und die Bengels während meiner Pisserei ständig versuchten, die Tür zu öffnen, dann aber nach einem kurzen Brüller meinerseits, aufgaben.

19. 02. Sonntag

 Früh fuhren wir mit dem Zug angenehm nach Agra. Die zwei Stunden waren auszuhalten. In Agra mussten wir von unserem Ankunftsbahnhof per Tuktuk zu unserem Hotel in der Nähe unseres Abfahrtsbahnhof Richtung Jaipur kommen. Eine wilde Fahrt durch eine unaufgeräumte Stadt, die im Begriff steht, eine Metro zu bekommen. Die Metro quetscht sich in die Straßenlandschaft. Bahnhofsviertel kann man es nicht nennen, wo wir dann gelandet sind. Aber die Marktstraße war außerordentlich bis überlebendig und war eine Parallelstraße zum Bahnhofsgelände. Das Hotel Ajay International war auch nur durch eine einflüglige Glastür mit n bissel Leuchtschrift wahrzunehmen, wenn man es weiß. Ansonsten ging es im Gewühl der Lädchen und Verkaufsbuden, im Krach des Gehupes und Autolärms samt des dazugehörigen Stop- & Gos des Fortbewegungsmittelbreies unter. Es war so unglaublich anstrengend laut, dass wir von der Hotelterasse samt Tisch und Stühlen im 3. Stock vor unseren Zimmern keinen Gebrauch machen konnten. Wir waren genervt und gereizt. 

Thomas wollte noch eine Moschee finden, die laut Navi zwischen Fort und Fluss liegen soll. Gefunden haben wir sie nicht. Aber wir hatten einen erlebnisreichen Erkundungsspaziergang durch ein Handwerkerviertel mit Steinverarbeitungswerkstätten und Steinbildhauern. Dann zogen wir die Straße lang zwischen Fort und Fluss, schrien uns an gegen den Verkehrslärm, konnten den Papageienschwarm, der immer vor uns her flog, sehen, aber nicht hören und hatten Ausblick auf den Fluss linker Hand über gleichmäßig zugemüllte Uferwiesen. Rechts zeigte uns die Fortmauer, dass das Fort eine gewaltige Festungsanlage ist, die auch heute noch militärische Aspekte beinhaltet. An der Kreuzung am Eingangstor angekommen, hatten wir die uns noch nicht bekannte Seite des Forts umrundet und für den nun schon bekannten vor uns liegenden Teil keine rechte Kraft mehr. Wir suchten und fanden schnell ein Tuktuk mit eifrig sich anbietendem Fahrer, der auch gleich die morgige Tour zum Taj Mahal klar machen wollte. Was ihm gelang. Am Abend bestellten wir ihn zu 8 Uhr Morgens ans Hotel.

20.02 Montag

 

Nach einer etwas stressigen Mach-Kaffee-ohne-Krach-Frühsituation in der kleinen Multifunktionsbude wurden wir vom Tuktuk-Driver von gestern abgeholt, wie versprochen und zum Taj Mahal gefahren. Vorplatz, Kartenverkauf, Einlass, Locker, das alles kannten wir ja schon. Die Menschenmasse war gegen 9 Uhr auch noch überschaubar. Wir staunten eher, dass die ersten schon auf dem Rückweg waren. Abends im Zug sah ich bei einem krass tätowierten Pärchen auf dem Handy Fotos vom Taj Mahal. Sie wurden gerade angeschaut und sortiert. Es gab eine lange Serie vom Edelgebäude im Sonnenaufgang. Das waren die im Reiseführer beschriebenen ganz Harten, die den legendären Sonnenaufgang am Taj begrüßen. Klar, die sind auch gegen neun schon wieder raus aus dem Trubel.

Am schönsten nach dem Marmorgitter an den Tumben und der schattigen, morgendunstigen Aussicht auf den Fluss war die Beschaulichkeit in den Seitenflügeln im Park. Ich setzte mich zu jemandem auf eine Bank. Ein Parkbulle kam vorbei und belehrte uns, dass schlafen untersagt sei. Der junge Mann entgegnete, er sei ein Brasilianer und er schlafe nicht, er meditiere. Ich musste aufpassen, dass ich ihm durch mein schlecht zu unterdrückendes Grinsen, die Pointe nicht verdarb. Als ich dann befragt wurde und sagte, I’m German and do also not sleep, grinste der Brasilianer. Als der Wachmann sich umgedreht hatte und ging, grinsten wir uns beide an, stark amüsiert. Als ich nach einer Weile Meditation dann ging, wünschte ich ihm noch eine gute Meditationszeit in India.

Unser Zug sollte 17 Uhr fahren. Wir waren gegen 14 Uhr im Hotel, holten unser Gepäck und tapsten die Straße zum Bahnhof hinunter, auf der zu allem Trubel auch noch der wohl wochenübliche Textilmarkt war. Das heißt, links und rechts am Straßenrand auf der eh schon vollen Straße hatten die Frauen, die mit ihren Kindern in den Gräben hockten mit den Rücken an den Blechbuden, die teilweise auch geöffnet hatten, Berge von Stoffen, Tüchern, Kleidungsstücke aller Art aufgetürmt. Davor mühten sich ernsthaft ehrgeizig Kundinnen und Kunden zwischen all dem und Straßenverkehr etwas Passendes für sich zu finden. Ich fühlte mich seltsam fasziniert. Die Vielfalt der Stoffqualitäten, die man fühlen wollte und die Sattheit der Farben, die einen regelrecht anschauten, hatte was Ansteckendes. Also machte ich mich, nachdem wir unser Gepäck auf dem Bahnsteig hatten und noch knapp zwei Stunden Zeit blieben, auf den Weg und kaufte fürn Appel und n Ei drei Stücken Stoff für neue Halstücher. (Die hab ich heute bei uns auf dem Markt für einen Spottpreis zuschneidern lassen. 25.02.)

 

Zur Abfahrt war der Bahnsteig auch wieder rappelvoll, aber Ann hatte es so gut organisiert, dass unser Gepäck und die Bank auf der wir saßen ganz in der Nähe, der für uns relevanten Waggontür war, der Zug also passend zum stehen kam, als er einfuhr. Außerdem hatte sie für uns wieder BestClassIndianRailwayPlätze gebucht, sodass die vier Stunden bis nach Jaipur recht erholsam waren. Mit dem nächsten Tuktuk ging es durch die Dunkelheit zu unserer Unterkunft in Jaipur. Gegen 20 Uhr sind wir in einem Villen-Vorstadt-Viertel eingetroffen. Ein nettes Ehepaar um die 65, (er Golfer, und um das gleich mal zu klären, gleich alt wie ich, aber mit sehr viel mehr Haar auf dem Kopf als ich – es war ihm wichtig zu betonen) in hübscher zweistöckiger Vorstadtvilla begrüßte uns. Mit Thomas hab ich schnell noch einen Ausflug zum Futtersammeln gemacht und mit Glück nach drei Ecken einen Foodshop mit allem, was wir brauchten und etwas weiter noch einen offenen Gemüsestand im Grenzgebiet Metrostrecke und Vollhauptverkehrsstraße im sich anschließenden Gewerbe- und Elendsgebiet gefunden. Abendbrot und eine Skatrunde schlossen den Tag ab.

Die  21.02. Dienstag

 

Gegen neun am Morgen Start zu Stadtrundgang mit Metro und dann zu Fuß durch die Innenstadt. Wir entdeckten dort z.B. die Viel-Fenster-Fassade und den Stadtpalast. Der gefällt, je länger man drin ist, immer besser. Wir waren ganz angetan von dem malenden und fotografierenden Jungfürsten Maharaja Sawai Man Singh II  im ausgehenden 19./beginnendes 20. Jahrhundert. Nach dem Stadtpalast (vorher eigentlich auch schon) ließen uns von einem Tuktuk-Fahrer überreden von ihm zu einem nicht zu exklusiven, aber guten Restaurant gebracht zu werden. Was er auch voll getroffen hat. VENUS hieß der Laden, mit einem Tempel gegenüber, der auf seiner „Liegewiese“ gerade begann, für eine Veranstaltung zu rüsten, uns (bzw. mir) aber noch genug Zeit ließ, nach dem Essen ein Mittagsschläfchen abzuhalten. Das Mahl war wirklich üppig und gut. Im Folgenden sind wir zur Jantar Manta, der Open Air Sternwarte spaziert.

Jaipur ist zum einen eine gruslige moderne Stadt, monströs groß. Hohe Betontürme für Metro und Straßen. Hochhäuser und Industriegebiete. Das im Reiseführer angekündigt Rosa in der „Altstadt“ an den Einkaufspassagen der langen Galerien links und rechts ist ein schönes Ziegelsteinorange in den meisten Fällen und mit seinen weißen Zeichnungen drauf wohltuend für das Auge. Das „Rosa“ fanden wir nur an einigen Stellen im Stadtpalast. Die Innenstadt samt ihrem öffentlichen Leben, der Stadtpalast mit Bühnenhandwerkern, Puppenspielern, Guides und Publikum hatte für mich erstmals „wohltuend Indisches“ voll Überraschungen, Klischees und Vorhersehbarem. Die Sternwarte passt voll zu den kleinen und großen Wunderbarkeiten. Die Tour zum Bahnhof, um nach Gepäckfächern zu sehen und dann auch noch Kofferschlösser kaufen zu müssen, war dann wieder eine Wanderung durch Abgründe.

22.02. Mittwoch

 

Anns Wunsch an unsere Tour war der Besuch einer Wanderdüne bei Jaipur. Der Tuktuk-Driver, der sich uns aufgedrängt hatte und mit dem wir dann Dienstagabend telefonisch die Tour verabredet hatten, war pünktlich um neun vor dem Haus. Zunächst mussten wir zum Bahnhof, um unser Gepäck unterzustellen. Das hatten wir am Abend zuvor auskundschaftet, dass es so wohl die sicherste Lösung für uns ist, falls mit der Tuktukfahrerei irgendwas schiefgeht. Aman, der Driver hatte keine Ahnung, wo Kishan Bagh lag. Für ihn war es eine Überraschung. Hier hätte er noch nie Touristen hingefahren. Ann wusste wohl durch ihre Kolleginnen, die erst kürzlich vor uns hier waren, was auf uns zukam, aber ich hatte keine Ahnung. Wir waren sehr angetan von der Idee und dem Konzept. Ich fand das ganze wirklich sensationell. Eine Ausstellung über die Entstehung von Steinen, Sand, Wüsten und Wüstenpflanzen in einer natürlichen Sanddüne vor Jaipur. Das Naturerleben blieb ganz wesentlich, während man gut gebaute Information zu sehen bekam. Toller Ausstellungsaufbau.

Danach ging es weiter im Tuktuk nach Amber Fort. Als wir dann oben standen, konnte man sehen, in was für ein wunderschön gelegenes Tal sich die Hoheiten da wieder ein Schlösschen gebaut hatten. Gut, Schlösschen ist zynisch bei der gewaltigen Größe. Die kleine Stadt Amber wurde durch die Festung an die andere Talwand gequetscht. Aber nach jahrhunderter langer Burg-Baustelle und dem dazugehörigen Baulärm, Straßensperrungen, Bergsprengungen und all dem profitiert die Bevölkerung nun von dem friedlichen Geschäft mit den strömenden Touristen und den in den Berg manifestierten Kriegserinnerungen.

 

Thomas wollte zum Abschluss unserer Tour noch das Palästchen im See in Augenschein nehmen. Es lag auf der Strecke und wir gut in der Zeit. Am Ufer davor, an dem wir standen, tobte sich am späten Nachmittag noch ein Markt mit Schnickschnack für Touris aus. Wir schauten zum anderen Ufer und rätselten, ob das wohl ein Wasserkraftwerk sei. Und da kam uns auch noch Wassergeflügel in den Blick. Pelikane, Reiher, irgendeine Kreuzung zwischen Haubentaucher und Kormoran. Ich musste mitansehen, wie ein hübsches, rundes Fischlein von einem Langschnabligen kurz gehappst und dann verschluckt wurde. Weg war er. Ne, eben nicht: Mir drängte sich die Vorstellung auf, wie er da eingedrängt erst im Hals bewegungsunfähig im Dunkel lag, wie es ihn dann tiefer eingeklemmt in die Magengegend rutschen ließ und er dann kommentar- und regungslos auf seinen Tod warten musste, während draußen in der Sonne, der Vogel auf dem See schwamm und nach neuen Opfern ausspähte.

Der Tuktuk-Driver Aman musste inzwischen im Auge behalten, dass wir 17 Uhr den Bahnhof erreichen, Gepäck holen, Abfahrt kurz vor 18 Uhr, diesmal höchste Klasse, die die Indische Bahn zu bieten hat. Wir wurden drei Stunden lang gemästet. Erst Five-O’clock Tea mit Sandwich, Cutlet, Mandeln, Süßkram und ja, auch Tee… dann Tomatentütenvorsuppe, Hauptgang und Eis zum Nachtisch. Wir waren völlig überfüttert.

 

Gegen 23 Uhr kamen wir in Delhi an. Wieder Bahnhofschaos und Taxisuche. Dann eins gefunden und mit dem Fahrer lange verhandelt über zwei Ankunftsadressen und den Preis dafür. Das Auto machte schließlich nicht sehr vertrauenserweckende Startgeräusche. Nicht noch zum Schluss auf einer nächtlichen Piste liegen bleiben. Aber alles gut: Thomas abgesetzt, in die Defence Colony gebracht worden. Gepäck in den Fahrstuhl gequetscht. Oben Tür auf, alles rein, Tür zu. Ruhe.

23.02. Donnerstag

Haushaltstag.  Ich stichpunktele erst mal für den Blog alles auf, was mir spontan zu den letzten Tagen noch einfällt. 14 Uhr soll die neue Waschmaschine kommen. Thomas muss per Net ein neues Quartier für seine letzte Woche Delhi finden. Rasieren müsst ich mich auch mal wieder.

24. 02. Freitag

Gestern hab ich am Vormittag viel Blogtext geschafft, bevor ich dann ab 12 mit Thomas zum Qutb Minar gepilgert bin. Gebaut wurde der Turm als großes Zeichen im Andenken an den Sieg der Muslime über die Hindus um 1200. Ab 1211 erfolgten über die Jahrhunderte immer wieder Reparaturen und Ergänzungen. Ich bin mir nicht klar, ob die heutigen Hindukinder wissen, welche Kultstätten sie da besuchen. Vielleicht ist es ja eine Art passiver Widerstand, sich vor den Denkmälern der ehemaligen und letztlich erfolglosen Okkupanten in Pose zu stellen und Selfis, also Fotos von sich und den Seinen zu produzieren und damit sich und die Seinen zu feiern. Die Handygrafie fällt mir hier an den Sehenswürdigkeiten so unangenehm auf, dass ich dauernd darüber nachdenken muss. Gestern hatte ich mit einem jungen Kerl vor dem Turm ein Gespräch darüber. Ich frage ihn provokant, was ihn denn an dem Turm und dem anderen architektonischen Drumherum interessiere und warum er sich davor fotografiere? Schulterzucken. It’s nice. Ich war so richtig in Wortgefechtsstimmung. Die hier durch das Handy als technisches Medium offensichtlich zur Schau kommende Selbstverliebtheit der Menschen ärgert mich.

 

Um mich ihm zu erklären, holte ich weit aus, sprach vom Pathologischen, Psychologischen, von Narzissmus, erzählte die Geschichte von Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebte und das damit einhergehende Ignorieren anderer. Irgendwann ist der Bursche einfach gegangen, fotografierte seinen Freund und verschwand.

25.02. Samstag

 

Heute will ich den Blog auf den aktuellen Stand bringen. Dazu verweigere ich mich dem Einkaufsausflug von Ann und Thomas. Heute Abend soll Ann die Korrektur lesen, damit die letzte Woche on Air gehen kann. Ich hoffe, wir schaffen das. Seit einer Woche ruht die Arbeit auf der Baustelle an der uns zugewandten Seite des Hauses gegenüber. Alles ist blendweiß gestrichen, die Geländer sind gegen Staub gewappnet in Folie gehüllt. Sogar Fenster sind geputzt. Nur gelegentlich flext und schleift etwas an der Rückseite des noblen Gründerjahreneubaus. Zum Bloggen ist es angenehm still. Aber das blieb nicht so. 14:30 flext es wieder vorn.

27.02. 

Der Tag hat mich heute stellenweise verzweifeln lassen. Nachdem Ann aus dem Haus gerollert war und die Waschmaschine lief, wollt ich mich an den Blog setzen, um die Einzelteile richtig in das Formular zu kriegen. Zack Bumms, gab es kein Internet mehr. Als nächstes machte die Maus nicht mehr mit. Nachdem ich Batterien geholt und eingekauft hatte, war es schon knapp zwölf. Ich hoffte auf Netz aber da war nix. Bis kurz vor drei vertat ich mir die Zeit mit anderem. Inzwischen hatte eine andauernde auf die Mauer- und oder auf Metallklopferei über mir begonnen. Eigentlich wollt ich ambitioniert und schnell von unserem sonntäglichen Ausflug zu dem Gelände des Mehrauli Archelogikal Park gleich neben dem Qutb Minar berichten. Dieser Park war mir meinen Besuchen des Minar nicht aufgefallen. Thomas fand ihm im Net. Er stellte sich als ein nicht so gepflegter Park mit scheinbar etwas ungeordneter Aufstellung von Tumben, Moscheen, Resten davon und einem extra umzäuntes Areal mit namenlosen Grabtumben dar. Das alles kurz hinter einem Rosengarten, einem Nursery, ne Art Baumschule.

Beim Umherziehen auf der großen Straße zwischen den Objekten fiel uns immer wieder eine große Kuppel in den Blick. Na die wollten wir nun auch noch sehen, fanden aber keinen Zugang zu dem Objekt in den Parkwald, wo sie stehen musste. Das Navi war auch nicht hilfreich. Dann war da ein Zugang allerdings zu einem Tempel. Dort bereiteten sie gerade eine Feier vor und wollten uns nicht auf dem Gelände. Aber freundlich erläuterten sie uns, dass nur 5 min weiter left und noch mal left der Zugang zu der Tumbe sei. Ich konnte es nicht recht glauben, zumal wir in die Richtung schon gelaufen waren. Aber bitte, und Tatsache: wirklich, nach knapp zehn Minuten standen wir vor den Stufen eines Aufstiegs zu einer gewaltig großen Tumbe auf einem Felsen. Da oben tummelten sich Jugendliche in der Halle. Vor dem Eingang standen zwei Grabtumben. Die Halle war leer und Hinweistafeln gab es auch nicht. Aber die Stelle auf dem Felsen mit weitem Umblick über die Stadt war überwältigend und ein prästigeträchtiger Platz für Oberhäupter. Auf uns wirkte sie etwas vergessen und verlassen und eher nur ein Abendteuerspielplatz für Jugendliche und ihre Selfishows. Aber schon wegen der Aussicht muss ich da noch mal hin.

28.02.2023

Heute waren Thomas und ich in den Parkanlagen rund um den Grabkomplex des Humayun Mausoleum unterwegs und im Anschluss daran im gegenüberliegenden Sunder Nursery. Das zweite ist ebenso mit Tumben und Grabanlagen alter Zeit gepflastert, aber durch Grünanlagen, Wasserspiele, einem Cafe am See u.a. zu einem echten sanften Freizeitpark aufgewertet worden. Die Besuchenden nehmen das Angebot auch total an. Ich mag es, den Menschen bei ihren Beschäftigungen zuzuschauen, ob jugendlichen Liebesspielen, Familientreffen, Kinderbespielung oder Besinnung suchen und pennen. Das Humayun Mausoleum, von H.`s erster Frau Bega Begum (schöner Name) in Auftrag gegeben, heißt bei Wikipedia auch Gartengrab. Diese Bezeichnung finde ich amüsant. Es stimmt zwar, der Riesengrabhügelkuppelbau steht innerhalb von Wiesen und großen Bäumen in der in Quadrate aufgeteilten Fläche, aber die architektonische Anlage überstrahlt mit ihrer Erscheinung die Gartenabsichten der Anlage in den exakt gesetzten Mauern drum herum. Im Sunder Nursery Park ließ ich meine Seele in einer Wiese ausbaumeln, mit dem sicheren traurigen Gefühl, dass ich das letzte Mal hier war. Nicht mal ne Abschiedspfeife war mir vergönnt. Ich hatte mein Rauchzeug im Quartier vergessen. Aber ein TT-Fahrer auf dem Parkplatz zwischen den Geländen, den ich fragte, vermittelte mich sofort weiter an einen Imbissverkäufer und der musste mir auf sein Geheiß hin, drei solch kleine Kippenzigaretten, wie sie hier im Gebrauch sind (Beedis) + Streichhölzer schenken. Einspruch und Geldangebot zwecklos. Der Tuktucker war der Boss und spekulierte auf eine Fahrt.