01.01.2023

Wir waren heute Nachmittag in Arambol shoppen. Fast hätten wir es aufgegeben. Aber dann haben wir uns doch aufgerafft. Ein Taxifahrer, der uns ins Shopping-Center fahren sollte, wollte es wirklich wissen und verlangte 400 INR. Wir haben ihn bei 300 gekriegt. Saftig fanden wir - 6 km betonte er.

 

Ich sage: Schrecklich, dieses immer wiederkehrende Klamotten, Tücher, Trommeln, Schmuck, Trinkbares, Café und wieder von vorn die lange Straße lang. Aber Anns Augen leuchteten. Und wie immer, kaufe ich zuerst. Zwei kleine Pfeifen. Dann kaufe ich Ann einen blauen Räucherstäbchenständer und dann kauft Ann ein großes Tuch. Dann noch zwei Bier für den Rückweg. Aus. Den weiteren bittenden Ansprachen, doch ihren Laden zu betreten, konnten wir  widerstehen. Wir kamen an den Strand und merkten sofort, etwas war anders als letztens, als wir es schon einmal am Strand entlang bis Arambol geschafft hatten. Sonntag? Neujahrstag? Massen von Menschen. Alle genießen auf ihre Art den wohl freien Tag. „Solch ein Gewimmel will ich sehn…“ Wir haben uns da schön mittreiben lassen auf dem einstündigen Rückmarsch.

 


Montag, 2.1.

 

Es gab heftigen Wind, den wir zum Glück im Rücken hatten. Die Männergrüppchen, die uns entgegenkamen, aber auch die Damen, hatten gegen die untergehende Sonne beim Selfi-Posen mit der Kledage und der Frisur ihre Probleme. Schließlich entschlossen wir uns auch ein Selfi mit Sonnenuntergang zu erstellen und stellten fest, ist gar nicht so einfach. Immer, wenn unsere Gesichter drauf waren, war die Sonne weg. War die Sonne drauf, waren unsere Gesichter im Dunkeln, was aber die Kamera natürlich erkannte und wieder änderte, so dass wir immer nur Fotos ohne erkennbare untergehende Sonne geschossen haben. Es war so anstrengend, dass die Feierlichkeit des Augenblicks flöten ging. Es ist leichter als weibliche Siluette vor dem Gegenlicht zu tanzen und von dem Anbeter gefilmt zu werden, als mit diesem Motiv einer Paarbeziehung gerecht zu werden. Aber es war schön. Tschüß Superstrand am Arabischen Meer von Arambol bis Ashvem.

Montag, 02.01.23 

Die Fahrt nach Bhopal war stressig. Die zwei Stunden Taxi nach Vasco de Gama mit Erinnerungen gespickt, aber ne tolle Holpertour. Dann am Bahnhof noch sehr gut gegessen und pünktlich den Platz im Zug erobert. Die erste Stunde war noch ein friedliches Schläferstündchen. Die Familie, die dann um uns herum lagerte war sehr verträglich, in den Nebenabteilen waren aber schon einige Kinder, die ihre Eltern auf Trab hielten oder den ganzen Waggon zusammenbrüllten. In Puna stieg die Familie aus und dann wurden wir von einem Sohn-Vater-Opa-Trio lautstark okkupiert. Gepäck musste umgelagert werden, Schlafplätze neu ausgehandelt. Die Vater-Führer-Figur, eigentlich ein angenehm wirkender Kerl, war laut, platzeinnehmend und einfach nur nervig. Leider ging das die nächsten 16 Stunden so weiter. Laute Telefonate, Videos kucken, Gespräche über drei Bänke. Von der Umgegend unserer Reise hab ich wenig mitbekommen. Ich hab versucht, mich wegzuschlafen. Aber in der Nähe von Sadgaon, nicht weit vom Tapi-Fluss bin ich aufgewacht und schaute in eine Mischung aus Mondlandschaft und Wüstenei aus verlassener Fels- und Tagebaubrache. Im Hintergrund trohnte ein Kraftwerk, bzw. ein Kühlturm mit etwas Anlage drum herum. Noch in Betrieb? Keine Ahnung. Ich zückte den Fotoapparillo zu spät, war zu überrascht. Deswegen gibt es nur eine abgemilderte Variante. Ann hat etwas mehr gesehen. Den Hidden-Wasserfall hat sie sogar als einzige (in unserer Buchte)  geschafft, zu fotografieren.

 


Dienstag, 03.01.23

Angekommen in Bhopal. Endlich, nach 29 Stunden Zugfahrt. Mit nem Tuktuk zum Quartier. Ein junger Mann war uns auf dem Bahnhof sehr behilflich ein Tuktuk zu finden und den deutlich überhöhten Preis runterzuhandeln. Von vierhundert waren wir bei dreihundert Rupien gelandet. Ein Tuktuk-Kollege versuchte unserem Fahrer mit dem Dumping-Preis 250 Rupien die Tour abzuluchsen. Wir blieben bei der Erstwahl und 300 Rupien. Der junge Mann erklärte dem Tuktuk-Fahrer mit Blick auf unser Handy unsere Tour und wir sahen ihn kurz später noch mal auf einem Motorrad neben uns. Die letzten Biegungen fuhren wir nach Googlemapsnavigation, dafür reichte das Englisch unterstützt mit Handzeichen. Wir kamen ohne Umwege an und nahmen die Riesenhütte in Kürze in Beschlag. Zu Fuß den Kiez inspiziert. Aber im Dunkel keinen Food-Shop gefunden. Nur Schnaps, Cola und Mandarinen. Das gibt dem Frühstücksvorgeschmack keine Vorfreude.

 Und es ist kalt in Bhopal. 12 Grad laut Laptop, Aber wir frieren in unserer Bude.

 


04.01.23

Wir frieren in Bhopal. Und finden mal wieder keine Lebensmittelgeschäfte, wie in Delhi am Anfang. Morgens war noch vieles zu. Die Bananen auf einmal ausverkauft auf dem Gemüsemarkt. Und auch wieder eine Baustelle… direkt gegenüber unserer Bleibe wird ein Gebäude abgerissen. Zur Abwechslung mal Schlagbohrhammer. Die Flex fehlte heute völlig im Stadtkonzert.

 

Nach einer Internetrecherche zu Bhopal entschlossen wir uns, das Tribal Museum aufzusuchen. Es wurde auf Wikipedia empfohlen als gute Darstellung der Kulturen der indigenen Bevölkerungsgruppen, für die mittlerweile Adivasi als Oberbegriff verwendet wird, durch zeitgenössische Künstler:innen dieser Gruppen. Adivasis sind stark benachteiligt. Sie wurden in der Vergangenheit als rückständig angesehen und ihre Ansprüche auf Land wurden ignoriert. Schon in der indischen Verfassung (1951) sind deshalb bestimmte Maßnahmen und Rechte festgeschrieben, wie eine feste Zahl eigener Vertreter:innen im Parlament, Studienplätze und Anstellungen im Öffentlichen Dienst. An dieser Stelle beginnt mein Schreibprojekt, weshalb ich hier bin. Denn um diese Sitze, Plätze und Stellen zu vergeben, müssen Zahlen her, die in Zensuszählungen ermittelt werden. Welche Kategorien da verwendet werden und wer wie warum gezählt wird und welche Auswirkungen das hat, damit beschäftige ich mich hier.

Wir fuhren mit nem Tuktuk hin und waren überwältigt von einem wirklich tollen Museum, das sich in die Landschaft eingliedert, innen und außen verschmelzen lässt und dann Künstler:innen aus sechs im hiesigen Bundesstaat Madya Pradesh ansässigen Adivasi Gruppen, die Innengestaltung übertragen hat. Frank war begeistert von der umfassend künstlerisch gestalteten Fläche. Überall Muster, Deckenbemalungen, Wandreliefs, mit Oramenten übersäte Einbauten, die die Lebens- und Mythenwelt zugänglich machten, im wahrsten Sinne des Wortes, waren viele Dinge begehbar und so multidimensional erfahrbar. Ich kann mich Ann da nur anschließen: Faszinierend. Es erwärmt einen, wenn man sic die Fotos anschaut. Und das braucht es auch. Die Wohnung ist bitter kalt. Ich habe so ziemlich alles an, was ich mithabe, trotzdem kommt beim Pfeifchen auf dem Balkon keine echte Freude auf.


05.01.2023

Wir fuhren heute mit nem Taxi (hier für uns ein bezahlbarer Luxus) zum großen Stupa, einem buddhistischen Gebäudekomplex, auf einem Hügel bei der Stadt Sanchi, 46 Kilometer nordöstlich von Bhopal, der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh. Nach Sanchi wollten wir ja schon seit unserem ersten Besuch im National Museum in Delhi, (Reiseblog, 30.10.22.) wo wir ein Teil eines Tores sahen und Ann das Ganze irgendwie bekannt vorkam. Und siehe da, eine Kopie eines Tores steht in Berlin, und nun wohl auch schon eine zweite - dazu gleich noch mal mehr.

 

Der Kern des Stupa wurde während der Regierungszeit des Kaisers Ashoka aus der Maurya-Dynastie im 3. Jahrhundert v. Chr. erbaut und ist eines der bemerkenswertesten buddhistischen Denkmäler des Landes. Mittlerweile ist es UNESCO Weltkulturerbe. Die gigantische Kuppel des Stupa enthält ein zentrales Gewölbe, in dem Reliquien von Lord Buddha platziert wurden. Gekrönt wurde der Stupa von einem sonnenschirmähnlichen Gebilde, das den hohen Rang symbolisierte und die Reliquien ehren und schützen sollten. Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurden vier aus Stein gearbeitete, mit ornamentalem Schmuck übersäte Tore und eine Balustrade hinzugefügt, die das architektonische Gebilde umgibt. Sehr beeindruckend.

Wir haben eine ganze Weile versucht herauszubekommen, welches der vier Tore in Berlin in Kopie steht. Die vier Tore sind nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Das älteste ist das Südtor und es ist auch das Haupttor und das am stärksten beschädigste von allen. Das pompöseste Tor - und das aktuelle Haupttor, wenn mensch so möchte - ist das Nordtor. Beim Googeln sind wir auf einen aktuellen Artikel gestoßen, wo es ein Foto eines Details davon gibt. Damit haben wir uns auf die Suche begeben und wurden auch fündig und konnten es dann später mit unserem Buch, das wir in der Unterkunft vorfanden, als aus dem Osttor identifizieren. 

Nun stellen sich Ann gleich mehrere Fragen: wieso haben die Engländer in den 1880er Jahren nicht das prächtigste Tor kopiert, sondern nur den 2. Platz, das Osttor? (Das Westtor ist ähnlich wie das Südtor schon stärker zerfallen.) Wieso wird in Berlin (vgl. Artikel unter: https://www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/dossiers-und-nachrichten/dossiers/dossier-humboldt-forum/ein-sanchi-tor-aus-rotem-roettbacher-mainsandstein.html) behauptet, das Osttor wäre das Haupttor? Wo sind die weiteren Kopien des Osttores, denn das Britische Museum hatte mehreren Museen Kopien angeboten? Warum muss überhaupt eine neue Sandsteinkopie angefertigt werden und in Berlins Zentrum aufgestellt? Vor allem wird sich offensichtlich doch nicht sonderlich mit der Herkunft (Provenienz) und den aktuellen Verhältnissen vor Ort auseinandergesetzt. – In Sanchi wurden die Kopien nicht erwähnt. Die ersten britischen Expeditionen in den 1880ern beschädigten den Stupa, weil drin rumgebuddelt wurde. Er wurde dann ab 1912 von den Briten restauriert. Für den damaligen Chefbeamtenarchäologen gibt es mehrere Erwähnungen, seinen Tisch und sein Silbergeschirr im Museum. Die Thematisierung und Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit und ein zeitgemäßer Umgang mit globaler Verflechtung – wir werden ja nicht die ersten und einzigen sein, die auch mal in Sanchi als Tourist:innen waren – kann ich da irgendwie nicht entdecken. Das Geld wäre besser woanders investiert.

Abends nach fünf kurz vor Sonnenuntergang gelang uns Dank des Einkaufwunsches von Ann, was mir gestern kurz vor elf nicht glückte: Alles was wir brauchten und suchten, fanden wir beim Durchstreifen dreier Marktareale laut Googlemaps. Dreimal riesige Ansammlungen on Buden und Läden. Am beeindruckendsten der Gemüsemarkt bei uns um zwei Ecken. Zum Schluss machte der Tempel zu.

06.01.23

 

Die Empfehlung unserer Vermieterin hat uns verführt, uns heute nach Bhimbetka, 45 Kilometer südöstlich von Bhopal fahren zu lassen. Wir hatten den Oldman-Taxidriver gleich gestern dazu verpflichtet. Zum Glück war die Strecke nicht so lang oder schwierig wie gestern und die Schulterschmerzen, die mich gestern im Auto plagten, ließen mich heute lange in Ruhe. Es ging wieder aus der Stadt hinaus durch das Spalier der gewaltigen Pfeiler der im Bau befindlichen Metro. Also alle Nase lang Bauatelle. Die Speedbreaker auf den Straßen sind auch echt nervig. Das Auto bremst, hoppst und beschleunigt andauernd, an jeder Kurve mindestens zweimal. Nachdem die Sonne raus war, spielte das Wetter voll mit. Der sich selbst aufdrängelnde Guide war sehr anstrengend. Eine Familie mit Kleinkind und Selfimanie im Eilmarsch und uns Langsamkucker zusammenzuhalten und zu schauen, dass keiner verloren geht, war wohl vorrangig seine Aufgabe. Seine Infos zu der ganzen Angelegenheit beschränkten sich auf die immer gleichen ein, zwei Sätze mit Jahreszahlen.



Die Rock Shelters of Bhimbetka werden erstmals 1888 in einer wissenschaftlichen Arbeit von W. Kincaid, einem Beamten aus der Zeit Britisch-Indiens erwähnt,. Er stützte sich auf Informationen von lokalen Adivasis und bezeichnete Bhimbetka als buddhistische Stätte. Später fiel die Ähnlichkeit zu den  Höhlenzeichnungen in Spanien und Frankreich und ihre prähistorische Bedeutung auf. Der Archäologe VS Vakankar besuchte das Gebiet und berichtete 1957 davon. Erst in den 1970er Jahren wurden das Ausmaß und die wahre Bedeutung der Bhimbetka-Felsunterstände erkannt. Funde deuten darauf hin, dass es in diesen Höhlen eine menschliche Besiedlung über einen längeren Zeitraum in der Steinzeit gegeben hat. Dies basiert auf Ausgrabungen vor Ort, den entdeckten Artefakten, Pigmenten in Ablagerungen sowie den Felsenmalereien, die aus unterschiedlichen Epochen stammen. Es dauerte etwas, eh wir uns auf diesen Tapetenwechsel - Sanchi gestern, Bhimbetka heute - eingestellt hatten. Aber dann machte es doch Spaß, sich die Zeichnungen anzuschauen und viele Details zu entdecken. Das Heft der World Heritage Series unserer Vermieterin ließ uns erkennen, dass wir viele weit eindrucksvollrere Zeichnungen nicht gesehen haben. Aber das ganze Gebiet wollten wir auch nicht erkunden.

Gegen zwei waren wir wieder im Quartier in Bhopal und machten uns nach einer Pause auf, die Strecke, zum Bahnhof zu erkunden, den wir morgen ansteuern, um mit dem Nachtzug in der allerhöchsten Klasse, die die indische Bahn anbietet, zurück nach Delhi zu fahren. Ein abenteuerlicher Spaziergang durch Baustellen, Elends- und Villenviertel. Der Bahnhof, nagelneu und echt ne Nummer gewaltig, gleich neben Bansal-Medien und einem unfertigen Neubaugetüm, an dem ein einzelner little Arbeiter per Hand Fugen verfugte. Man darf ihn auf dem Foto suchen. Der Gemüsemarkt, der gestern rammelvoll war, noch in der einbrechenden Dunkelheit, war heute total leer, als wäre Feiertag. Vielleicht ist es ja auch so. Unser Terassien haben wir schon verlassen. Den Vollmond hab ich schnell mal abgeklickt. Obwohl der Laptop 18 Grad sagt, ist uns draußen und in unserer Wohnung um sieben schon arschkalt.

07.01.2023

 

21:30 holt uns das Taxi zum Bahnhof ab. Unser Zug nach Dehli fährt 22:40. Bis dahin müssen wir noch packen und aufräumen. Den letzten Tag in Bhopal sind wir gemächlich angegangen. Ausschlafen.

Nach dem Frühstück gings mit dem Tuktuk Richtung Bhopal Altstadt. Mal schauen, was da noch steht. Drei Moscheen gibt es noch aus dem frühen 19. Jh., die erste wurde von einer regierenden Frau in Auftrag gegeben. Die Frauenregierungszeit (drei hintereinander) lief insgesamt 26 Jahre und das in einer muslimischen Regierung. Die Moscheen sind aber wie Moscheen so sind. Beeindruckend große Baukörper, aber ansonsten nicht besonders aufregend. In der zweiten haben wir ein bisschen ausgeruht. Dort herrschte eine sehr entspannende Stimmung. Sie war auch etwas kleiner, in den Proportionen angenehmer. In der ersten, der Hauptattraktion, verfolgten uns zudem drei Jungens aus Kaschmir, die wohl selten auf weiße Affen wie uns trafen. Ihre Neugier war groß und sie blieben uns eine ganze Weile auf den Fersen. Aber irgendwann in dem Rest von Altstadt waren sie nicht mehr hinter uns.

Die Häuser in der Hauptstraße haben den Charme von Gründerzeit und in den Gassen daneben gab es etwas mehr Ruhe vor dem Verkehr und gediegene Krämerseele lag in der Luft. Die Kreuzung an der zweiten Moschee hatte noch Baureste von alten Torsituationen bevor sich der moderne Verkehr hindurchgefräst hat. Torpfeilerstümpfe schauen nun an den Häusern hervor und die neue Verkehrsführung ließ auch Platz für Ruinen. 

Wir bogen dort ab zum Ufer des Sees, der dort zu Beginn des 11. Jh. künstlich angelegt wurde. Geniale Idee. Lange Uferpromenaden laden zum Laufen ein und es gibt jede Menge Bänke in den Anlagegebüschen zum Kennenlernen der jungen Paare, selbst wenn er maskiert oder sie verschleiert ist.

Überhaupt bietet die Seelandschaft mit der Stadt im Hintergrund einen tollen Anblick, der noch nicht verbaut ist. Aber der Fortschritt kommt. Als wir am Ufer liefen,war erst ewig nicht ein einziges Boot auf dem See, dann ackerte sich ein Ruderboot quer drüber und dann durften wir doch noch hören und sehen, wie zwei superschnelle Motorboote durchs Wasser pflügten. Wir liefen auf der der Stadt zugewandten Seeseite. Unser Ziel war das Bharat Bhavan, ein Multikunst-Institut auf dem Hang. Am Ufer gab es à la Hollywood große Metallbuchstaben, die die Worte WELCOME TO THE CITY OF LAKES bildeten. Na super. Sicher gut zu sehen von den Flugzeugen aus, die den lokalen Flughafen anfliegen. Eines haben wir auch gesehen. Wir mussten drunter durch und dran vorbei, um dann die Stufen zur Straße nach weiter oben zu gelangen. Die Mauern an der Straße waren eine lange Strecke mit mannshohen Bildern gestaltet. Vieles erinnerte uns an das Adivasi Museum, das wir vorvorgestern gesehen hatten. Die ganze lange Straße hatte eine wie Programm wirkende Bildsprache und war höchst spannend. Dann tauchte das Institut in einer Rechtskurve zwischen Polizeigebäuden auf. Besucher gab es außer uns nur noch zwei weitere, so konnten wir in aller Ruhe zwei Ausstellungen genießen. Die erste von Adivasi Künstler:innen. Die zweite muss wohl was Offizielles gewesen sein. Drei Herren bewachten die Eingangstür und knöpften uns auch 10 Rupien pro Nase Ab. Uns erwartete, wie einer der Herren erläuterte, eine Ausstellung der Top-Artists von Bhopal und des Landes Madhya Pradesh, also eine Art Landeskunstausstellung. Die Motivlage und Stilistiken waren auch ein ziemliches Durcheinander. Damit musste man klarkommen. Ich fand viele Bilder moderner und realistischer Manier, die mich an europäische Kunststile und Epochen erinnerten und mich dennoch beeindruckten. Wieso auch nicht, aber die Masse war erschlagend. Der Herr fragte mich, ob ich den oder den Namen kenne in einer Art, als müsse man die kennen. Ich musste passen. Ich kenne andere. Und fotografieren war auch nicht erlaubt, also gibt’s für Europa auch keine Fotos.

 

Gegen zwei machten wir uns auf den Rückweg und ließen uns an der Kreuzung in der Nähe unserer Behausung an einem Restaurant absetzen. Dort aßen wir vegetarisch jeder einen Thali-Teller. Und damit waren wir endgültig mittagsruhereif.

Der Abend verging schnell mit packen, räumen, essen, usw. 21:30 ging es pünktlich los mit dem Taxi. Der Zug nach Dehli fuhr auch pünktlich los.22:40. Ann hatte uns das teuerste, was die Indian Railways zu bieten hat, gebucht. Liege-Zweierkabine. Und der Waggon wurde gegen mögliche Eindringlinge aus dem Armenmilieu auch noch vorn und hinten abgeschlossen. So schliefen wir sehr gut in unserer sozialen Raumkapsel.

 08.01.23

 

Gegen sieben Uhr morgens kam ich das erste Mal richtig zu mir und da war leider auch schon klar: es wird eine dicke (mehrstündige) Verspätung geben. Leider wuchs sich das Thema kontinuierlich aus und man konnte das auch nicht mehr verschlafen. In der Reise-App wurde Ann immer prächtig auf dem Laufenden, oder besser, wie es nicht läuft gehalten. Als wir 16 Uhr endlich in Delhi aus dem Zug waren, waren wir auch mit der Welt ein bisschen durch. 8 Stunden Verspätung bei 9 Stunden angesetzter Fahrzeit, ganz ohne Unwetter oder Unvorhergesehenes, einfach nur durch „Verzögerungen im Betriebsablauf“ wie es die Deutsche Bahn immer so schön auf den Punkt bringt.  Gleich auf dem Bahnsteig stürzten sich die Tuk- und Taxifahrer auf uns, als hätten wir Superlaune und bräuchten nichts mehr im Moment als sie, die uns bequatschen, während wir mit unseren schweren Rucksäcken die Treppen rauf und runter zwischen den anderen tausend Suchenden herumstolpern. Aber genug davon heute. Wir sind echt geschafft, aber angekommen. In unserer Wohnung empfing uns eine unerfreuliche Kühle oder besser Kälte. Was zum heizen gibt es nicht. Nur die Möbel. Aber dazu können wir uns nicht entschließen.

13.01.23

Die Kälte hatte uns bis heute in unserer Bleibe mächtig im Griff.

Heute Nachmittag gab es erstmalig wieder Richtung 20 Grad und es war angenehm auf dem Balkon zu sitzen. Aber das Heizgerät, was uns der Vermieter auf unsere Anfrage hin zur Verfügung gestellt hatte, ist innerhalb der Behausung immer noch im Dauerbetrieb, denn beim Zeichnen oder Tippen am Tisch spürt man eine in sich fressende Kälte weiterhin. Nachts läuft das Ding in der Nähe des Bettes bis kurz vor den Moment des Einschlafens. Ann ist die Zimmeratmosphäre trotz zweiter Decke zu kalt und hat sich auch gleich mal erkältet.

 

In den drei Wochen, die wir unterwegs waren, hat sich in unserer

Umgebung einiges verändert. Uns erschienen einige Straßen und Ecken aufgeräumt und sauberer. Auch einige Baustellen scheinen einen Abschluss gefunden zu haben. Auf den seltsamen Turmhäuschen auf dem Dach gegenüber Richtung elf Uhr stehen jetzt vier gewaltige Wasserbehälter streng umgittert eingezäunt.

Es ist in Delhi so kalt, dass sogar die Bauarbeiter Schuhe tragen und nicht auf der Rüstung in Badelatschen rumhopsen.

Gebohrt und geflext wird aber weiterhin ringsum. Die Bäume in unserer Aussicht sind über die Wochen staubweiß geworden.

 

Nach einen gründlichen Einkauf haben wir einen Haushaltstag beschlossen und den Ausflug in den nächsten großen Park auf morgen verschoben.

15.01.

 Sonntag. Wir wollten uns einen langen Spaziergang durch Wald und Flur leisten. Aber unsere Vorstellungen waren sehr unterschiedlich. Ich dachte eher an so etwas wie den verwilderten „Waldpark“ in Greater Kailash, Ann schwebte eher der Dekhis Heritage Park Sunder Nursery vor. Schönes Ziel. Schön sauber. Schön aufgeräumt. Sehr gut besucht, trotz Eintrittspreis. Für Foreigners 300 R pro Nase. 

Aber richtig. Der Park samt der Pavillons, Mausoleen und Buris inklusive Parkmauern berechtigt voll dazu. So ein fröhliches Leben in einem Park hab ich selten in meinem Leben wahrgenommen. Doch, allerdings auch schon im Lodhi-Park hier in Delhi. Die großen Familiengruppen, aber auch jugendliche Musik-, Tanz- und Theatergruppen können hier laut und friedlich vergnügt miteinander nebeneinander agieren, dass es eine Freude ist, zuzusehen. Dazwischen die unbeobachteten Pärchen und die älteren mit der Kinderaufzucht beschäftigten Herrschaften. Alles wandelt durch die Microhabitatzonen und Baumschul- und Blumenzuchtflächen und fotografiert sich damit gegenseitig. Manche, wie ich, liegen irgendwann zwischen den gewaltigen Grabanlagenaufbauten, die als Kulissen für Modefotografen dienen, auf den einladenden Wiesen und machen ein Schläfchen. Es war ein aufmunternd schöner Nachmittag.

18.01.

 Für den Morgen meines Geburtstages gab es ein Frühstück mit Kerzen und Schokoladetörtchen. Ann hatte sich frei- und wir hatten uns den Besuch des National Crafts Museum vorgenommen. Ein scheinbar kleines Museum für „Volkskunst“ mit modellhafter Dorfbautenaußenanlage ähnlich wie in Bophal im Tribal Museum. Die Ausstellung im Haus war dann doch recht groß, reichte von umfangreichen Textilexponaten bis zum Prozessionswagen und Architekturdetails in Stein und Holz. Ich freute mich über neue Varianten von Nagiris und sehr schöne Gesichter an Pfeilerstützen. Und hinten dran gab es noch unerschöpflich viel reichlich geschmäcklerisches Kunsthandwerk aus der Produktion lebender Handcraftler. Wir haben widerstanden.

Abends gab es einen französischen Animationsfilm über eine traurige Flüchtlingsgeschichte im Habitat Convention Center. Und beschlossen wurde der Tag in einem indischen !? Restaurant, wo uns Anns Kollegin erst durch die Geheimnisse der Speisekarte führte und wir dann alle alles durcheinander aßen. Sehr nett und aufmerksam war ihr Geburtstagsgeschenk für mich: dänische HotDogWürstchen in der Dose. Sie hatte immer noch ihren Spaß an meinem Irrtum am Buffet einer Veranstaltung im Oktober. Da hielt ich Kuchen in Zuckerwasser für Würstchen und hab mir gleich zwei geangelt und dann nicht essen können… zu süß.

 Des Nachts freute ich mich an den vielen elektronisch eingegangenen Glückwünschen. Tagsüber sitzen wir übrigens immer noch frierend gut verpackt und vom Gerät angeheizt an unseren „Schreibtischen“. Sogar Handschuhe helfen der Kälte etwas zu trotzen. 

22.01.2023

 Seit meinem Geburtstag hab ich nun doch einen Physiotherapeuten aufgesucht. Meine Rückenschmerzen werden, wenn ich abends noch irgendwiewo sitze, unerträglich. Der Doc und die Anwendungen haben es erreicht, dass die Schmerzen ausbleiben: Mal sehen. Freitag Abend hab ich mir im Goetheinstitut den indischen Sänger/Musiker Harpreet angehört. Gesang auf Hindi und exzellentes Gitarrenspiel. Echt hörenswert. Am Samstag haben wir den gepriesenen staatsindischen Einkaufstempel „Central Cottage Industries Emporium“ in der Tolstoy Rd nahe dem Goetheinstitut aufgesucht. Es wurde eine dreistündige Einkaufstour unter dem Vorwand von Geschenken und Mitbringsels. Zum Teil war es ja auch echt sehenswert und die plastischen Objekte einiger Abteilungen auch kaufenswert. Aber Koffergrößen sind begrenzt und die Preise für die guten Sachen gewaltig, aber fair. 

Nach dem Supertempel mussten die Lücken auf der Einkaufsliste noch zu füllen versucht werden durch den Besuch des über die Straße angrenzenden Straßenmarktes. Sehr erfolgreich waren wir nicht, also wurde heute noch ein Shoping anberaumt, in dem Straßenmarkt hinter unserem Viertel. Nach zwei Stunden hatte Ann zwei Pullover erstanden, die nicht auf der Einkaufsliste waren. Aber so wie sie sind, berechtigen sie den spontanen Kauf. Fotografisches Highlight unseres Rückweges war dieser vertrauensvoll platzierte Briefkasten. Auf unserem Rückweg gestern sind wir in eine unbekannte Metrolinie geraten und von der aus in eine kilometerlange Laufstrecke+ Förderband/Fahrsteigstrecke, von Dhaula Kuan nach Durgabai Deshmukh, die uns vorher noch nie aufgefallen war. Laufen in der Blechdose. Von dort ging es weiter mit der Bahn bis Lajpat Nagar. Der Rest musste wieder stolpergelaufen werden.

23./ 24./25.  01.

 

Ich begann den Tag mit einem abschließenden Besuch des Physiotherapeuten. Mir ging es gut und ich fand den Besuch eigentlich schon überflüssig. Aber bitte. Abends gab es wieder französisches Frauen-Filmfestival-Kino im „Stein-Gebäude“ Indian Habitat (A. Stein ist der Architekt). Vorher waren Anns Kolleg:innen eingeladen zum Sonnenuntergangscocktail vor dem Film. Klingt versnobt kolonial, ist es wohl auch, war aber sehr schön. Die Hausbar war echt zum Schlemmen voll mit ausgesuchten Rum-, Gin- und Wiskeysorten. Das Beste war aber die Dachterrasse überm fünften Stock, die einen wunderbaren Blick über die Stadt bot und Humayuns Tomb, das wir Ende November besucht hatten, in noch imposanterer Perspektive präsentierte. Ich war in Nachhinein froh, auch eingeladen worden zu sein. 

Der Film danach, in Francais mit englischen Untertiteln machte es dann eh nicht leicht. Jemand aus der Gruppe nannte ihn danach kitschig (und er erinnerte mich auch leider abgeschwächt an „Die schöne Welt der Amelie“), andere fanden ihn themaangemessen bis toll. Meine Eindrücke waren leider nach fünfzehn Minuten kontaminiert durch jäh aufkeimende Rückenschmerzen. Was nun? Ich schob einen Ruhetag ein.

 

Ann kam von ihrer Arbeit mit der Idee, die Singh Brothers zu fragen, ob sie uns mit dem Buchungsproblem (seit 14 Tagen lässt sich per Netz mit unseren Kreditkarten kein Zug buchen) helfen könnten. Und siehe da, der kleine Elektroladen der Zwillinge, um die 60, immer vornehm und höflich mit gepflegten Bärten und Sikh-turban, entpuppte sich als vollprofessionelles Reisebüro. In einer Viertelstunde hatte der linke Zwilling (sie sitzen immer zu zweit hinter ihrer Theke und steuern das Reich vor ihnen) unser Problem gelöst und quittierte unsere Entspannung und Freude und Dankbarkeit mit ähnlicher freudiger Dankbarkeit über unsere Anerkennung.

Am anderen morgen war der Schmerz weg und ich gab mich meinen angefangenen Blättern hin.

 

Heute war das der letzte Tag der Woche, an dem das so ging. Am Mittwoch würde Ann die Wohnung ab Mittag bis in den tiefen Abend hinein mit Zoomkonferenzen blockieren. Also nahm ich mir für Mittwoch eine lange Stadtwanderung vor. Ich war knapp fünf Stunden unterwegs und erlebte alles, was zu einer Stadtwanderung gehört: Verlaufen trotz Navi, tolle kleine Wohnviertel entdecken, Kartoffelpuffer und Tee am Straßenrand, Erreichen des Zieles: den Hauz Khaz Forest mit dem angegebenen Navi-Punkt an unerwarteter Stelle im Wild-Wald-Park mit „Schneewittchen trifft bald auf die Zwergenhütte“-Athmosphäre, Ruhepäuschen auf einer Parkbank in aufgeklärterem Gelände, improvisierte Rückwegstrecke und zielsichere Ankunft am Defence-Colony-Market.

26.01.

 

 

Indien begeht heute seinen Nationalfeiertag. Gründung der Republik vor 74 Jahren. 10:30 sollte es losgehen: Die große Parade. Ich war pünktlich bei NDTV auf Empfang und es war auch schon losgegangen. Die Panzer rollten schon. Warum die immer schneller sind, als der Fernsehkiecker denkt, wissen ja alle. Das hat Tradition. Wir hielten es nicht für unsere Reisebloggerpflicht, Eindrücke von ganz nah dran an der Waffe einzufangen. Aber auf den Delhifernsehsender und eine TV-Übertragung war ich schon neugierig. Es war natürlich professionell im NTV-Format mit Zusatzinformationen rund um den Bildrand. Und auch die Parade verlief sich gegen einer Stunde in folkloristischen Beiträgen der einzelnen Bundesstaaten. Aber der anfängliche Aufmarsch von Macht und militärischer Stärke beeindruckte mich wie früher schmerzlich, als mein kleines Heimatland seine Militärmuskeln im TV der Welt präsentierte. 

In ihrem Status fand Ann noch einen Gruß zum Indiaday von einer Familie, die wir im Zug kennengelernt hatten. Ansonsten blieb die Stadt gelassen ruhig und wirkte gleichgültig unbeteiligt. So wie wir das auch kennen. Und die Flexen auf der Baustelle blieben mal wirklich still. Der Feiertag war immer ein Tag, wo man mal das erledigen kann, wozu man sonst nicht kam. Und wenn dann abends noch jemand zum Grillen auf drei Bier kam, war es ein schöner Tag, ganz in dem Sine: „Sie ehrten ihn, indem sie sich nutzten.“ (Brecht) Immer noch ein schöner Spruch. Wir hatten für heute auch keine weiteren Ansprüche an die Stadt, außer vielleicht ein paar Lebensmittel. Aber die gab es tatsächlich auch überall wie gewohnt. Ansonsten hatte die Stadt Lautstärke, Tempo und Menschenaufläufe echt zurückgefahren. Das Zentrum und Parade, von allen Seiten als verkehrstechnisch unerreichbar bewertet und die Notwendigkeit von Anwesenheit dort auch immer von allen lächelnd in Frage gestellt, war dann auch nicht unser Ziel. Wir hatten nach den Einkäufen alles für eine Kartoffelsuppe zusammen. Die Bockwürstenchen dazu bekam ich ja schon zum Geburtstag von Anns Kollegin. Der Feiertag war doch ein perfekter Anlass, die zu verspeisen. So haben wir es gemacht und uns danach jeder in seinen Schreibaufgaben vergraben. Das Stadion blieb heute bis jetzt, kurz vorm Dunkelwerden, im Nebel versteckt und unbeleuchtet und ruhig, nachdem die letzten drei Tage laute und grelle Veranstaltungsvorbereitengen liefen. Ich erwarte mir für heute in der Dunkelheit noch einiges.

27.01.

 

Nix da. So gut wie nix passiert. Bei uns im Viertel beging man den Nationalfeiertag wie in die Jahre gekommene Demokratien. Erwachsen, gewohnt, gelangweilt. Natürlich darf man die paar Zusatzhuper in der Nacht nicht mitrechnen. Den einen ist s wohl zu viel Nationalismus, den anderen zum Jubel zu wenig.

Da Ann die Wohnung wieder mal mit Zoomkonferenzen bis in den Abend hinein blockieren wird, hab ich mich gegen Mittag aufgemacht, das gewünschte Buch „Die Experten“ in der Bibliothek des Goethe-Instituts zu holen. Das hat so reibungslos geklappt, dass mir der Fahrtaufwand zu hoch erschien, um gleich wieder zurückzufahren. Also entschloss ich mich, bis zur Endhaltestelle der Violet Line zu fahren: Kashmere Gate. Es liegt noch eine Station hinterm Red Fort und was bei Google dazu zu finden war, versprach interessant zu sein. Bloß hab ich es leider nicht gefunden. Vielleicht bin ich auch einfach dran vorbei getrabt bei dem Trubel und Gewühl, was sich da gleich an der Metro-Station vor mir aufbäumte. 

Ich bin jedenfalls die Hauptstraße (in die richtige Richtung, denk ich) durch ein Stück Altstadt mit nem Delhi Gun Shop und unglaublich viel Autowerkstatt und -teile usw. an Polizeistation und St. James Church, Frauen-Schule u. a. vorbei dann in Richtung Fluss abgebogen. Hab versucht abzubiegen. Ich steckte aber schnell zwischen Straßen und Schnellstraßen und Auffahrten zu Hochstraßen. Mitten im Gewühl an einer Kreuzung hockte ein Mann und pulte einem anderen Hockenden mit einem dunkelblauen Stäbchen im Ohr. Wohl eine Dienstleistung. Ich hätte es gar nicht gesehen, aber der Puler winkte mich heran. Ich musste ablehnen. Ich mochte mich nicht zu ihm an den Bordstein setzen und bei vollem Verkehr an der Ampel mir in den Ohren rumstochern lassen. Die Sache war mir zu suspekt. Ich lief weiter und hatte dann wohl das Salim Garh Fort im Rücken und eine Obdachlosensiedlung zwischen zwei Straßen, dann zwischen Straße und Fluss vor mir. Sah dann die Straße, die über den Fluss führte mit Rush-Hour-Verkehr voll und die Straßen dahin nicht überquerbar. Nachdem ich schon eine riskante Situation produziert hatte, gab ich das lieber auf. Ich wählte eine nach unten führende Straße, hoffte auf eine Ausfahrt in Richtung Stadt. Ein Mann mit seinem Dienstgefährt überholte mich und hatte eine ölige Pfanne mit Kartoffelpuffer hinten drauf. Hunger hatte ich, also rief ich. Er blickte sich nur kurz um, sah meinen Winker, hielt und baute fix seinen Stand zum Verkauf auf. In null-komma-nix hatte ich meine zwei Puffer auf dem Standstreifen bei laufendem Feierabendverkehr aufgewärmt. Er war schneller weiter als ich mit meinen heißen Dingern in der Hand. Endlich unter der Hochstraße durch kam ich in verkehrsberuhigteres Gebiet an eine Kreuzung, wo wohl Taxi- und Tuktukfahrer Teepause machten. Da nahm ich mir dann ein Tuktuk und ließ mich zum Red Fort bringen. Die Metro-Station erkannte ich sofort. Und der Rest war nur noch eine eingeklemmte Fahrt in einer vollgestopften Metro.

29.01.

 Ein schöner Sonntag mit Spaziergang, Kultur und Essengehen sollte es werden. Aber schon beim Losgehen war klar, heute bleibt es trübe, denn das Stadion tauchte nicht auf. Um elf war es immer noch tieft trüb. Wir wollten das Old Fort am Zoo aufsuchen – ich kannte es ja schon (siehe Blog 19.10.) – und danach von dort aus zum Crafts-Museum spazieren und in dem Restaurant, was uns letztens so toll bewirtet hat, zum Sonntag speisen. Das Fort konnten wir noch begehen. Es ist wirklich beeindruckend und verwirrend, wie sich alte überholte militärische Funktionen der Eroberer mit neueren Ambitionen von späteren Nutzenden, den Moscheebesuchenden, den sich zum Grab niederlegen lassenden verstorbenen Herrschern und den Siegern über die muslimischen Herrscher nebeneinander erleben lässt. Dann die Briten und nun ein hindunationalistischer Staat, der mit UNESCO-Auflagen und -Förderung dieses Erbe für eine Zukunft nutzbar erhält. 

 

Hat funktioniert. Die Delhianer:innen nutzen die vielfältig kombinierten herrschaftlichen Grabanlagen, die kultischen und religiösen sowie stadtbiologischen Einrichtungen locker nach ihren Bedürfnissen und Ansprüchen. Aber das Wetter muss auch stimmen.

Nach unserem Besuch des Museums der zurückgewonnenen indischen Skulpturen war der Regen nun deutlich nicht mehr zu ignorieren. Der Wind dazu ließ uns unseren Plan aufgeben.

Es ist erst der erste Regentag, den wir in Neu Delhi seit unserer Ankunft im Oktober 2022 erlebt haben. Also bitte.

Die Flexen mussten aufgeben zu kracheln. Als wir zum Block A 449 zurückkamen, war es still und den wochenalten Schleifstaub hatte der Regen von den Blättern der Bäume gewaschen. Schön. Die Voraussage will uns aber andeuten, dass es nun bis morgen Mittag regnen wird. Das hat es auch ausgiebig getan. Alles bleibt ausdauernd matschig und feucht.