01.03

 

Beim gestrigen Abendeinkauf mit Ann war mir so, ein paar Abschiedsstimmungsfotos zu schießen. Schließlich bricht nun unser letzter Delhi-Monat an und manche Dinge passieren zum letzten Mal. Also entstehen nun ab und zu Abschiedsfotos. Die Blumen- und Obst- und Gemüsehändler mussten es unbedingt sein. Und natürlich unser Elektroladen inklusive Reisebüro mit den Singh-Brothers. 

Den Tag verbrachten Thomas und ich damit, das Warten auf den Schlüssel für Thomas neues Quartier sinnvoll zu füllen. Da wir möglichst schnell und pünktlich vor Ort sein wollten, suchte ich ein naheliegendes Ausflugziel aus.

Mit Ann hatte ich in dem Marktviertel in unserer Nähe hinter der großen Bhishma Pitamah Marg einmal eine Tomb gesucht, die bei Maps eingetragen war. Trotzdem mussten wir eine Weile suchen, bis wir fündig wurden. Dasselbe passierte mir und Thomas nun auch. Wir umkreisten die in dem Stadtviertel eingequetschte Mubarak Shah`s Tomb dreimal ohne sie zu sehen. Aber dann konnten wir die „verzweifelte“ Lage der Tomb in dem engen Kreis umrunden. Es wurde dabei klar, dass das nachträgliche Umbauen und die dabei entstehende Enge wohl der Normalzustand der Nachbarschaft von Stadt und Religion über Jahrhunderte war. Das Emporgehobensein der Tumben und Moscheen in den Parks von Delhi ist eher der ausnahmebetonende Denkmalstatus, der von den Schöpfern wohl auch geplant war, der aber heute etwas künstlich erhalten wirkt. „Stadt“ konnte und sollte nicht hineinwuchern.

Bade Khan Ka Gumbad hat um sich herum schon mehr Parkluft zum atmen und wird von den Viertelbewohnenden als Freizeitraum benutzt. Schön war, dass uns von Anwohnern beim ersten und durch den Wachmann beim zweiten Gebäude Zugang ermöglicht wurde, sodass uns der Einblick ins Innere der Grabhölen gewährt war. Darya Khan`Tomb bietet neben den spärlichen Grundmauerruinen viel Parkanlage und Gelegenheiten für schattige Mittagsruhen.

 

Per Navi fand sich für uns dann auch schnell der Weg ins Quartier über eine der „Hauptstraßen“ unseres Marktviertels. So kamen wir rechtzeitig, dass Thomas sich zu seinen Verabredungen auf den Weg machen konnte. Abends zum Skat kam er mit der Überraschung, dass er nun im Nachbarhaus wohnen würde.

02.03.

 

Wir müssen Thomas kurze verbleibende Zeit hier in Delhi nun schon etwas genauer planen. Sonntag, der 05.03. ist der letzte Tag, an dem wir etwas gemeinsam unternehmen, anschauen können. Das sind noch vier Tage. Schmerzhaft. Ich habe eine kleine Liste erstellt. Thomas muss sich nur noch entscheiden. Heute waren wir, weil ich fand, das muss man gesehen haben, im Swaminarayan Akshardham. Auch bei meinem nun zweiten Besuch ist mir nicht klarer geworden, was hinter allem steckt. Was man nachlesen kann bei Wikipedia und anderen, stößt nach einer Erklärung eine Tür mit neuen Fragen auf. Da ist es mir jetzt zunächst am klarsten beim Einleitungstext der Begleitbroschüre zu bleiben:

 

 

Die überwältigende Größe schon des Parkplatzes lässt auf gewaltige Besucherströme schließen, wovon wir am Nachmittag einen kleinen Vorgeschmack bekamen. Aber im Gelände selbst finden sich wenige bis keine Hinweise auf längere Gottesdienste oder Andachten, z.B. Stühle, Bänke, Schreine oder dergleichen, die auf geregelte Besuche von Gläubigen schließen lassen. Fotos sind auch nicht erlaubt. Wir sind nach knapp fünf Stunden nur anschauen voll mit Fragen, aber doch sehr gefüllt mit wunderbaren Ansichten abgezogen.

03.03.2023

 

Heute haben wir die Route zu Thomas Fughafenhotel für die letzte Nacht erforscht. Es war nötig, weil nicht ganz einfach. Und in der Dunkelheit in der wilden Vorstadt wird das Suchen nicht angenehmer. Stundenlang Metrofahren, umsteigen, verfahren, ankommen, zurückfahren.

 

Zum Abschluss haben wir noch das Jantar Mantar, die Sternwarte mit ihren bedeutungsvollen Objekten besucht. Es war anstrengend. Deshalb gab es keine Abendverabredung und kein Skatspiel mehr. Schade.

04.03., Samstag

 

 

Nach viel Geplane und hin und her haben wir Thomas doch ins National Museum verführt. Für uns war ja nun schon der vierte Besuch (oder gar der fünfte?) und ich muss sagen, es gab trotzdem wieder an vielen Stellen neue Überraschungen und schöne Wiedersehen mit einigen tollen Figuren. Ich hoffe, und glaube, dass Thomas auch begeistert war. Abends war er allerdings schwer damit beschäftigt, zu packen und brachte gegen acht schon den ersten Koffer zu uns rüber. Morgen um zehn muss er auschecken.

 

05.03.

 

Nachdem Thomas ausgecheckt hatte und sein Gepäck bei uns in der Wohnung stand, entschlossen wir uns doch noch die längere Tuktuktour zur Festung Tughlakabad zu unternehmen. In Sichtweite, quasi auf der anderen Seite des “Tales“ befindet sich auf dem Berg das Mausoleum von Ghiyath al-Din Tughluq, eine beeindruckende Tumbe in seinen Mauern mit ausgesprochen schönen klaren Formen und in beeindruckendem Erhaltungszustand. Von dort aus sind wir die Straße überquerend zur Festungsseite, den Berg hinauf und von dort durch die Reste der gewaltigen Festungsbauten, Turmreste, Gebäude, die unterirdischen Passagen und auch dem Aussichtsplateau spaziert. Auf dem Rückweg haben wir dann noch an dem Markt Halt gemacht, wo ich auch schon mal war. Ich fand die Stelle, wo es den entzückenden Organgensaft frisch gepresst in den Pappbecher gab und das anstrengende laute Leben drum herum. Dann ging es wieder mit dem TT in die Defence Colony, wo Thomas bis zur Abfahrtzeit im Viertel spazieren ging, während ich ein Erholungsschläfchen einzog. Dann ging es irgendwann Richtung Flughafen.

 

Als wir gegen 20 Uhr im Hotel Cube in der Flughafenvorstadt ankamen und das Uber-Taxi abgefahren war, stellte Thomas fest, dass sein Handy nicht mehr am Mann war. Wahrscheinlich ist es ihm im Taxi aus der Tasche gefallen. Die Dame am Hoteltresen war sehr hilfreich, allerdings half es nicht, dass der Fahrer sich auf eine schnelle Rücktour zum Hotel einließ, um das Handy zu finden. Also mussten wir mit diesem Ärgernis einschlafen.

06.03

 

Nachdem ich heute Morgen gegen 8 Uhr im Quartier ankam, war ich total down. Die Nacht war anstrengend und voller unschöner Überraschungen. Ich bin zwar gestern gegen 21 Uhr schlafen gegangen, um heute früh gegen drei fit zu sein, aber ich hab ohne ein Läuten zu hören durchgeschlafen, bis der Hotelboy klopfte. Also kein Kaffee; keine Pfeife, kein Frühstück. Packen, runter im Eilmarsch, ins Taxi und ab zum Flughafen. Zum Glück gab es keinen Ärger mit dem Gepäck oder anderem Unvorhergesehenem, so dass Thomas, so unser letztes Telefonat vor Ort, ich davor, er dahinter, problemlos in den Flieger kam. In der Folge kam er auch ohne Zwischenfälle in der Kälte in Berlin an. Ich brauchte den ganzen Tag, um meinen Schlaf nachzuholen und mit allem was ich an Medikamenten hab, meinen Rücken auf erträgliche Schmerzen zu bringen. Ich arbeite heute noch dran.

07.03.2023

 

Wir haben den Taxifahrer Mr. Harish gesprochen und nicht verstanden. Wir haben ihm noch per Whatsapp nachgesetzt, aber er reagiert nicht. Vielleicht besinnt er sich noch auf anderes, z.B. auf die 2.000 Rupien Finderlohn, die Thomas angeboten hat.

 

Ann und ich bearbeiten uns gerade mit nötigen Vorbereitungen für das Holi-Fest, wo mit viel Farbpulver rumschmeißen viel Spaß verbreitet werden soll und der Frühling begrüßt wird. Außerdem gibt es Wasserbomben, heute auf dem Markt ist da eine neben uns zerschellt. Ann hat gestern schon eine neben ihrem Roller gehabt, aber sie war schneller weg, als das Wasser hochspringen konnte. Da wir unseren Kleiderschrank mit 2.Wahlklamotten und oder alter Arbeitskleidung nicht dabei haben, fühl ich mich ein bißchen davon bedroht, morgen nach der Holiparty in der Uni an einigen Körper- und Kleidungsstellen für die letzten drei Wochen hier auszusehen wie ein Farbschwein. Aber Ann will unbedingt, dass wir da hin wollen und ich gebe zu, es wäre blöd, die Gelegenheit auszulassen. Also bin ich heute noch damit beschäftigt, Schutzkleidung zu basteln. Klebestreifen haben wir, Müllsäcke haben wir gekriegt, aber leider keine Painter-Overalls. Auf dem Markt, wo es eigentlich alles gibt, wurde mehrmals der Kopf geschüttelt und aufs Internet verwiesen. Nun ja, zur Ausrüstung der Maler, die wir hier bisher beobachten konnten, gehören solche Overalls nun wirklich nicht, also wird sich damit auch kein Geschäft machen lassen, außer im Internet. Na mal sehen.

08.03.2023

 

Internationaler Frauentag! Glückwunsch an alle Frauen, die dies lesen. Dass heute aber vor allem – oder nur? – das Holi-Fest in Indien gefeiert wird, liegt am Vollmond. Das Fest gilt als Fest der Farben, des Frühlings und der Liebe und ist eines der beliebtesten und bedeutendsten hinduistischen Feste. Bei dem Gaudi, der dabei besonders von jungen Menschen veranstaltet wird, kein Wunder. Die Metro schützt sich gegen Farbpulver, indem die Bahn von 6 Uhr bis 14:30 nicht fährt. Super Service. Schotten dicht am Lajpat Nagar. Also mussten wir uns per TT an das Ziel heranpirschen. Wir waren über die Holiparty auf dem Uni-Campus informiert, hatten jemanden, der uns netterweise mitnahm und sind dann mit Anns Kolleg:innen kurz vor zehn dort gewesen. Ich hatte ja Sorgen wegen meiner Schuhe und Klamotten. Aber ich muss sagen, außer Gesicht, Kopf und Oberhemd ist alles clean geblieben. Na gut, wir hatten uns mit Fettcreme vorbereitet, so dass die Farbe dann auch wieder abgeht. Das war ein Supertipp einer Kollegin. Und wir haben uns auch nicht so ins Kampfgetümmel gestürzt, wie das die erfahrenen und spaßerprobten Student:innen vor Ort betobten. Es gab schon Figuren, an denen war nichts mehr kenntlich. Aber Jungs und Mädels hatten gleichermaßen Spaß daran, wobei letztere merklich weniger unterwegs waren und sehr, sehr selten ganz allein. Muss das? (Die Ergebnisse unserer Beobachtungen darüber sind geschlechtsspezifisch unterschiedlich.) Nach gut drei Stunden mittoben und zuschauen und daheim nach duschen und Wäschewaschen war bei uns der Farbenspaß vorbei. Ich war überrascht, dass alles so vergnügt ohne Alkohol abgeht. Aber Anns Kollegin verwies mich darauf, dass dafür Grasprodukte als Drink konsumiert wurden. Etikettlose Plasteflaschen mit grünem suppendicken Zeugs drinnen. Das wäre der angesagte Spaßmacher.

Als wir ab drei auf unserem Balkon saßen, kündigte bei lichtem Himmel dickes Donnergrollen ein saftiges Gewitter an. Laut und aggressiv blieb uns kein Zweifel daran, dass es gleich lospladdern muss. Aber nichts dergleichen. Es hat gut zwei Stunden lang gegrollt, aber geregnet hat es, wenn überhaupt wo anders.

 

Ann hat gerade vorgeschlagen, dass es heute zum Frauentag ne leckere Pizza geben sollte, die ich holen soll – ist ja Frauentag ;-). Klar, mach ich.

09. - 13. 03.

 

 Dann ging es los, dass mich die Schmerzen im rechten Beckenteil und Oberschenkel bis zum Knie ziemlich belasten und lauf-, steh- sitz- und liegebehindern. Am 08. besorgte mir Anns Kollegin aus einer Apotheke auf dem Campus, wo die Party tobte, die landesübliche Ausgabe von Voltaren, die es sonst aber nicht so frei zu kriegen ist. Mit allen möglichen Mittelchen ausgestattet, hielt ich den Donnerstag noch tapfer durch, mal mit mehr, mal mit weniger Schmerzen. Aber Freitagmorgen war mir dann doch klar, dass ein Arztbesuch anstand. Ich entschied mich für den Orthopäden, den ich schon mal aufgesucht hatte. Ich bekam die schon bekannten Behandlungen an den aktuellen Stellen für die gleichen Preise mit der Diagnose auf Bandscheibe. Und Samstag folgte die gleiche Prozedur, sowie nun auch am Montag. Ich kann sagen, dass der Schmerz zwar andauernd, aber erträglicher ist. Aber meine Laune, Unternehmungslust oder Intention, was zu zeichnen ist so ziemlich da, wo es weh tut, am Arsch. Morgen steht der nächste Docbesuch an und ich hoffe sehr auf Besserung. Donnerstagabend wollen wir nach Jodhpur fahren und uns die Stadt anschauen. Der Doc rät mir von jeder Anstrengung ab, was mich innerlich revoltieren lässt. Ich muss sehen, was mein Body dazu sagt.

14. / 15. 03

 

Beide Tage hab ich mir das Komplettprogramm des Physiotherapeuten aufdrücken lassen. Und ich muss zugeben, dass es nicht ohne Wirkung ist. Stundenweise fühl ich mich richtig gut. Dann lässt es nach und die Pillen sollen den Rest richten.

 

 

16.03.

 

 

Früh sagte ich dem Knochenschieber erst mal tschüs und hoffte auf immer, oder mindestens für glückliche 14 Tage. Der Rest des Tages verging mit planen und packen. Um 23 Uhr irgendwas fuhr unser Zug nach Jodhpur vom Bahnhof Rohilla. Nächsten Morgen um 10 Uhr waren wir dort. Wir hatten eine Viererkabine mit einem weiteren Mitreisenden, der aber auch sehr ruhig war. Die Zugfahrt verlief nobel ruhig.

17.03.

 

 

Der Ankunftsbahnhof wünschte uns einem Guten Morgen mit dem landesüblichen Radau, mit Geschubse, Gerenne, Tuktukbedränge, treppauf und ab. Die Bahnhofsvorhalle war witzig fröhlich angemalt, aber so richtig konnte man bei dem Trubel keinen Nerv dafür entwickeln. Auf dem Vorplatz, einem einzigen TT-Parkplatz, musste man sich schließlich für ein Fahrzeug entscheiden, nen Preis aushandeln und mit einem Blick entscheiden, ob man dem Driver trauen kann. Nach einer Fahrt in eine ausgefranste Eisenbahnsiedlungsvorstadt kamen wir in einem auf nobel in Richtung Heritage Haveli umgebauten Bauernhof an. Ein Haveli ist ein Privathaus in der Altstadt, das einer einzelnen Familie gehört und von ihr genutzt wird. Mich erinnerte es an die Ackerbürgergrundstücke wie z.B. in Zerbst. Das optische Umfeld ist allerdings völlig anders. Das Wort Haveli leitet sich vom arabischen Hawali ab und wurde seit den Mogulreichen als Oberbegriff für regionale Herrenhäuser verschiedener Stile auf dem indischen Subkontinent verwendet. Die sind inzwischen eingequetscht in allerhand Lückenbebauung. Aber zur Straße hin lässt das nun neu verblechte große Bauernhoftor etwas von anderen Zeiten ahnen. Wir wohnten in imposant großen Räumen im ersten Stock mit äußerst karger baulicher Ausstattung und einfacher aber solider 19. Jahrhundert Möblierung. Die Wohnräume gruppierten sich überall um große Wirtschafträume, deren ursprüngliche Nutzung man ihnen nicht mehr so recht ansah. Der ehemalige Hof ist jetzt ein marmorausgelegter Parkplatz mit ersten großen Motorölflecken. Es gab große Terrassen, die zur Nutzung einluden. Die Familienhotelmanagerin war sehr hilfreich bei allen Fragen und Anliegen.

Nach Frühstück und Orientierung checkten wir gleich das TT an der nächsten Ecke und ließen uns zuversichtlich zum Fort Mehrangarh fahren. Eine lange Tour, bei der es viel von der lebendigen Stadt zu sehen und es schließlich endlos Serpentinen bergauf zu beschauen gab. Schließlich erschien „ganz Oben“ tatsächlich ein gewaltiges Festungsbauwerk. Es sieht aus, als hätte andauernd unbefriedigtes Schutzbedürfnis dazu geführt, dass wieder und wieder noch ein „Türmchen“, noch eine Mauer, noch eine Schießscharte und, und, und mit der Zeit nachgebaut wurde. Nun steht da auf dem Bergrücken ein riesiges Dings aus Türmen und Palastteilchen immer wieder noch mal übereinander gestapelt, durch Tore getrennt und durch Zugänge verbunden. Imposant gestaltet durch kleine verzierte Erkerchen und Galerien. Immer wieder sich wiederholende Muster und Ornamente auf Pfeilern, Dachteilen, Fensterrahmen und anderen Bauteilen. Das Ganze in überwiegend roten Sandstein. Es ist überschwänglich zu bewundern und auch still zu genießen. Schauen und bedenken. Die gewaltigen Fassaden eröffnen vor dem Auge immer defizilere steinbildhauerische Details.

18.03.

.Am zweiten Tag unserer Jodhpur-Tour nahmen wir uns den Umaid Bhawan Palace, Hauptresidenz der königlichen Familie von Jodhpur zur Ansicht vor. Der Palast ist wohl der zuletzt gebaute und einer der größten monarchischen Privatresidenzen der Welt. Ein Teil ist nun Hotel, ein Teil Museum, in einem weiteren Teil wohnt weiterhin der Maharaja. Gebaut wurde das Ungetüm an Pracht in Artdeco von 1929 bis 1943. Ein edles Ziel des Palastbaues bestand darin, den von Hungersnot betroffenen Bauern in der Gegend Arbeit zu verschaffen. Das Museum gibt  Einblick ins schwere Präsentativleben der Monarchen. Aber als dieses Palastungetüm gebaut wurde, gab es schon Autos. Ein Extra-Museum zeugt davon. Alles was man aus alten Filmen kennt, steht da drin. Gut dass es nun Autos gab, in der Epoche mit den Sänften und Tragen, war das Leben des Trägerbeschäftigten anstrengender.

 

Nach einer Pause ließen wir uns zum Uhrenturm fahren und ließen uns etwas durch die Altstadt treiben, was einfach nur Spaß machte, von bezauberndem Alten zu skurrilem Neuen zu taumeln und andauernd Verschiedenes zu erblicken. Endlich wieder zurück in unserer Wohnvorstadt angekommen, blieb uns nur noch für genug Futter für Abend und Früh zu sorgen.

19.03.

 

Mit dem Tuktuk nach Mandore. Es wollte dann ohne Wartegebühr dort auf uns warten und wieder zurückbringen. Wir können vorwegnehmen: es hat nicht geklappt. Vermutlich waren wir zu langsam und der Tuktuk-Fahrer glaubte nicht mehr daran, dass wir noch immer in der Anlage sind und auch zurückgefahren werden wollen. Wir stiegen dann bei einem Kollegen ein, fuhren zum Ausgangstuktukstand, wo es erstmal etwas Diskutiererei gab, warum uns jetzt jemand anderes gefahren hatte. Der konnte aber auch nur bestätigen, dass Ann brav alle Tuktukparkplätze in der großen Hitze abgesucht hat, nach dem Tuktuk, das auf uns warten wollte. Erfolglos. Wir durften dann am Tuktukstand die erste Fahrt bezahlen. Die war ja noch offen und sollte mit der Rückfahrt zusammen beglichen werden. Hätte also sogar eine Gratisfahrt werden können, wenn wir nicht am Tuktukstand schon längst bekannt gewesen wären. Das geht wirklich fix.

In Mandore gibt es eine große Parkanlage mit Tempeln aus dem 18. Jahrhundert, dazwischen Familien, Touri-Umherkarr-Eisenbahn, das alte Fort der Vorgänger-Maharajas von Jodhpur bevor sie Jodhpur 7 km entfernt gründeten, weil es strategisch günstiger war. Das Fort war ebenso weitläufig, fast nur noch Grundmauern und immer wieder mal Haufen mit Fragmenten von Verzierungen und Plastiken. Und große Affenherden, die irgendwie versuchten, der Sonne zu entgehen. Wir weißen Affen hingegen wurden immer wieder angesprochen, woher wir kämen. Auf ein paar Fotos mussten wir uns auch verewigen lassen.

 

Am Fuße der Festung erwartete uns ein Gerümpelmuseum, lt Ann. Immerhin nur 1,20 Euro Eintritt, aber selbst das war eigentlich schon fast dreist. Frank hat sich länger in der Skulpturensammlung aufgehalten, da ihm einige Stücke außerordentlich gefielen. Ansonsten unendliche Porträtanhäufungen der Maharajas, ausgestopfte Tiger, Reptilien, Vögel mit sagenhaften Beschriftungen wie „Vögel“ oder „Verschiedene Arten von Vögeln“. Das hätten wir ohne die Beschriftungen natürlich gar nicht erraten können. Menschliche Plastiken in Vitrinen, die das Alltagsleben darstellen sollen, kurz: alles erinnerte stark an die völkerschaulichen Elemente im Karl-May-Museum in Radebeul. Wir kamen jedenfalls geschafft am nicht wartenden Tuktuk an, nahmen dann dasjenige eines aufmerksamen, jungen Drivers, der auch die Suche nach seinem angeblich wartenden Kollegen unterstützte. Danach gab es Pause, um dann am Abend noch mal auf die Einkaufsmeile aufzubrechen. Doch der Regen machte uns einen Strich durch die Rechnung. Es gewitterte ordentlich, schüttete und hörte nicht auf. Wir blieben in der Hütte und genossen die Abkühlung.

20.03.

Über Nacht regnete es kräftig weiter, aber am Morgen war der Regen durch. Auf der Liste der Dinge, die man noch gesehen haben musste, stand noch das Jaswant Thada, ein hinduistisches Kenotaph, ein Scheingrab für die Maharajas. Denn im Hinduismus wird gemeinhin feuerbestattet und da die Maharajas auch geistliche Vorbilder sind, werden auch sie eingeäschert. Um dennoch im Leben der Nachfahren präsent zu bleiben, wurde das Jaswant Thada vom Sohn eines Maharajas für seinen Vater erbaut und damit der Brauch begonnen, die Herrscher zwar an dieser Stelle einzuäschern, dann aber trotzdem Grabmale für sie zu errichten. Es war die erste hinduistische Quasi-Grabstätte, die wir gesehen haben. Aber wir sahen nicht, dass es bei diesem Totenkult einen architektonischen Riesenunterschied zu den muslimischen Tomben gibt, die in Delhi die Landschaft durchziehen.

 

Vom Jaswant Thada ging es zu Fuß durch die Altstadt bergab zum Uhrenturm (clock tower). Mindestens zehn Tuktuks mussten weiter gewunken werden. Laufen ist weiterhin einfach so überhaupt nicht in. Kurz vorm Uhrenturm entdeckten wir ein nettes, kleines, offensichtlich auf westlichte Touris spezialisiertes Café. Drei weiße Affen waren schon drin, zwei weitere kamen kurz nach uns noch dazu. Es gab leckeren westlichen Kaffee aus einer entsprechenden, laut Kaffee frisch malenden Maschine. Außerdem gab es leckere Sandwiches, die wahnsinnig riesig waren und auch frisch gemachte Limo und Eiscafé. Und es dauerte alles eine Eeeeeewiiiiiiigkeeeeeeeiiiiiiiit. Gefühlt saßen wir drei Stunden dort bevor es weiterging, den Uhrenturm umrunden und dann noch Einkaufsbummel. Zum Uhrenturm versperrte ein Elefant den Weg. Ein echter Elefant wurde zur Spendensammlung von bunten Betreuungsmönchen durch die Stadt geführt. Für uns ging es in mehreren Runden im Markt durch den Markt. Ann hatte noch viel zu besorgen. Schließlich weiter durchs Verkaufsgebiet die große Ausfallstraße Richtung Bahnhof. Immer noch Ich war irgendwann sehr erschöpft, wie das Foto beweist. Am Bahnhof angekommen, erlösten wir unser Gepäck und genossen die Ruhe der Kollonialistenwartehalle. 20 Uhr fuhr unser Zug. Alles lief nach Anns-Planung: Diesmal sogar Zweierkabine, Ruhe und pünktliche Ankunft.

21./22.03.

 

Seitdem bin ich damit beschäftigt, den Haushalt neu in Schuss zu bringen, die Wäscheberge zu verwaschen,

Fotos zu sortieren und Blog zu schreiben. Ich bin seltsam erschöpft und müde, obwohl ich so richtig keinen Grund und Anlass sehe. Die Sache mit meinem linken Bein scheint abzuklingen. Gott sei Dank und Hoffentlich. Einem Freund schrieb ich auf sene  Frage, ob wir nicht schon leicht durcheinander sind, und zurück kommen wollen: "Ja gern. Es reicht. Ich deprimiere leicht vor mich hin."

 

23.03. Donnerstag

 

Bei mir ist alles unverändert. Ann war im Büro, hatte endlich ihren Vortrag fertig und hat ihn abends von unserem Quartier bis 23 Uhr ins Netz geschossen, während ihre Bürokolleginnen bei der Chefin auf der Dachterrasse Abschiedsparty abhielten. So kann es gehen.

24.03.

Am Freitag haben wir einen Lösungsteil für unser Gepäckproblem vorbereitet. Die Freundin einer Kollegin machte auf die komfortable Möglichkeit aufmerksam, Dinge per Post zu schicken. Also schicken wir ein Paket mit der Post. Das muss dazu besonders in Soff verpackt, vernäht, auf dem Stoff beschriftet und dann noch in Folie eingeklebt sein. Außerdem muss mensch eine Passkopie dazu mit einreichen. Ein Haufen kleiner Besorgungen. Die beiden Koffer müssen probebepackt werden. Und wenn der Rest in die große Reisetasche, die wir für unsere Touren angeschafft hatten, reinpasst, wäre das für uns eine akzeptable Lösung. Denn die Zusatzkosten für ein zusätzliches Gepäckstück übernimmt Anns Trägerinstitut.

 

Also starteten wir am Samstag mit weiteren Besorgungen, Aufräumen und Sortieren unseren Abflug aus Delhi mit diesem und jenem unbeschreibbaren Zeugs. Bilder von der Wand nehmen und gut verstauen, ist so eine Tätigkeit mit etlichem Symbolcharakter. Andere Tutnichtguts sind schnell wieder vergessen, nerven aber länger.

26.03.

Sonntag stand die Kisten-Pack-Session vor dem Abschluss, um dann das Packerl zum „Schneider“ auf den Markt zu bringen, wo der seinen Stand hat. 10 Uhr war verabredet. 400 Rupien wird der Spaß kosten und ist zwei Stunden später wieder abzuholen. Die Post in der Nähe mussten wir auch noch checken, ob es die noch gibt, wann und ob sie Montag geöffnet hat und wie wir sie am besten erreichen. Mit Anns Roller, war dann schnell klar.

 

Nach dem Abholen des eingenähten Pakets, gab es noch einen Spaziergang in Richtung Decathlon. Von dort ging es an einem interessant angelegten und angenehmen Wohnviertel zwischen Ring Road, Moolchand Hospital und Lajpat Nagar Metro vorbei. Erstes Ziel war Blumensamen einsammeln von Blumen, die Ann schön fand (lilafarbene Kornblumen und gelbe Riesenkamille) und die auf den Grünflächen vorm Decathlon wucherten. Zweites Ziel war auf der Ring Road in der Nähe von Thomas ehemaliger Wohnung in dem Shop-Restaurant der Fabindia-Kette einzukehren, wo wir dann nun zum dritten Mal speisten und wo es top-indische Kleidung und Präsente gibt. Ich bin vom Essen nicht so überzeugt, aber man kann die Einkaufswartezeiten wunderbar in der zweitanliegenden schattigen „Park“-Straße auf dem durchlaufenden Bordkantenstein absitzen, Pfeife rauchen und es eine Weile aushalten.

27.03.

 

9:30 Uhr mit Roller zur Post. Wir sind vor um 10 Uhr dort, und die Filiale ist schon offen, obwohl uns am Samstag vom Wachmenschen nebenan 10 Uhr als Öffnungszeit genannt wurde. Ein Schild gab es weit und breit nicht (im Innern der Post hat Ann dann heute eins entdeckt. Die Post machte um 9 Uhr auf). Wir sind gefühlt die ersten und das Personal ist noch frisch und internationale Pakete zu verschicken ist nicht ganz ungewohnt. Paket rund 6000 Rupien, die Osterpost hatten wir da noch gar nicht ausgepackt. Ich muss noch mal Bargeld holen, Kartenzahlung geht nicht. In der Zwischenzeit organisiert Ann die Briefmarken, was auch fast dauert, bis ich wieder zurück bin. Dann Briefmarken aufkleben mit abgenutztem Markenbefeuchter in umständlicher Eigeninitiativhandarbeit. Dazwischen gab es noch jede Menge bürokratische Fein- und Kleinarbeit für die Leute hinterm Schalter und Ann zur Versendung des Parcels. Ein kleiner Zettel wurde am Ende über die Theke gereicht mit der Trackingnummer und der sehr hilfreichen Postwebseite. Unter www.indiapost.gov.in kann mensch Poststellen suchen mit Öffnungszeiten und auch das Porto vorher herausfinden und eben auch das Paket tracken. Es ist gerade im Delhi Foreign Post Office. Mal schauen, ob es uns mit der Ausreise noch überholt. Auf dem Rückweg bin ich mal mit Anns Roller gerollert und sie hat sich die Leute angeschaut, die schauen. Diese Blicke bekommt sie sonst nicht mit, meinte sie.

 

 

Um 16 Uhr gab es auch noch eine Vorwohnungsabnahme durch Vermieter. In fünf Minuten war der Termin erledigt. Dann ging es mit der Metro Richtung Wohnung von Anns Kollegin, wo es eine kleine Abschiedsparty gab. Ich hab noch ein fettes Metro-Guthaben, dass ich ein bischen „abfahren“ will, deshalb sind wir deutlich früher aufgebrochen, um rechtzeitig da zu sein. Von der Metrostation war noch ein Stück zu laufen, wir waren dann doch zu früh und Ann konnte weitere Blumensamen im Park einsammeln. Es war eine gemütliche Runde bis 21 Uhr, dann mussten alle wieder schauen, dass sie nach Hause kommen. Alle hatten auch so ihre Probleme Tuktuk und Taxis zu bekommen. Die geschlossenen Tore beschränken die Mobilität enorm.

28.03.

 

 

Ich warte auf den Vermietungsangestellten, der noch Miete für einen Tag abholt, weil wir sonst am Freitag um 10 Uhr auschecken müssten. Wir wollen aber erst abends zum Flughafen, die Wohnung also noch den Tag über nutzen. Also noch einen Tag nachlöhnen. Immerhin geht das unproblematisch und die Hütte ist noch nicht neu vermietet. Am Abend gibt es Kino im Büro. „Pathaan“, den aktuellen Shah Ruk Khan Film, der kontrovers diskutiert wurde und es sogar etwas auf der Kippe stand, ob er überhaupt in die Kinos kommt. Von uns aus betrachtet, ist nicht klar, was daran kontrovers sein sollte. Mir wurde u.a. erklärt, dass es an dem safranfarbenen Bikini, den die Hauptdarstellerin während des Showblocks im Film trug und ihrer Rolle als pakistanische Agentin sowie ihrer regierungskritischen Position 2019 in Bezug auf die Verfassungsänderung lag. Aber so ist das mit nervösen Staaten. Wenn mensch heute DDR-Filme sieht, versteht mensch auch nicht mehr, warum Dinge zensiert wurden. Mensch weiß von den Dingen nichts mehr und auch Doppelbödigkeit erfordert Kontextwissen. Viele Anspielungen aus dem indischen Kontext sind mir einfach nicht aufgegangen, obwohl eine Kollegin von Ann vieles geduldig kommentiert und erklärt hat. Außerdem viel Action mit Anleihen aus diversen Hollywood SciFi- und Baller-Kampfsportfilmen, sehr körperbetont, viele sexistische Klischees bedienend, machten mir den Film äußerst fragwürdig. Nunja, ich hab mich gefragt, warum wir uns das anschauen.

29.03.

 

Tja nun bringt uns der fast letzte Tag in Delhi, wie es sich anfühlt, wenn so ein Monsumgewitter herantobt und sich entlädt. Gegen Mittag war es schon spürbar warm und ermüdend schwül. Gegen 15 Uhr bot das Laptop eine Temperaturanzeige: 30° und sonnig. Später wurde es dann windig und gegen fünf sah es dann schon wetterig werdend im Himmel und den Wolken aus. Kurz vor sechs hatten wir uns dann entschlossen, einen Abendspaziergang zu machen in die Dunkelheit hinein. Aber kaum dass wir den ersten Park erreicht hatten, änderte sich die Lage. Es fing an, harmlos zu tröpfeln. Ok, eine Pfeife und dann Rückmarsch. Die Pfeife hab ich noch anbekommen. Aber dann ging es Ruck Zuck. Tempo der Tropfen und Masse, die sich dann plötzlich ergoss, hatte schon etwas Bedrohliches. Schließlich war es dunkel, teilweise war die Straßenbeleuchtung weg, man hörte Baumaterialen und ähnliches auf die Straße knallen. Ein großes Blech legte sich weit genug vor uns auf die Straße. Peng.

Alle Vorsichtssinne waren angespitzt. Autos, Mopeds und Tuktuks blieben auf Geschwindigkeit, hupten, was das Zeug hielt und versuchten, sowohl Pfützen aber auch Radfahrern und Fußgängern auszuweichen. Die Leute, die eine Baustelle zum Unterstellen gefunden hatten, schauten neugierig den Weiterhastenden bei ihren Versuchen zu. Nass oder nicht nass war ganz schnell schon gar nicht mehr die Frage. Um über eine Straße zu kommen, musste man schon gut aufpassen, um einem Motorgefährt nicht in die Front zu laufen, aber eben trotzdem so offensiv zu queren, dass die Driver, dich als potentielles Gegenüber und Überquerer deuten und reagieren. Ann hat einem Anfahrenden ihren Willen gut andeuten können. Er blieb langsam. Den halben Meter später hatte er so viel Gas unterm Fuß, dass ich meinen Schritt beschleunigen musste. Und … ein Loch oder Unebenheit im Belag brachte mein eh schon unsicheres und geschwächtes rechtes Bein zum Patzen und ich lag auf dem Bauch im Aquaplaning-Wasserfilmmatsch auf Knie, Ellenbogen und Tatsächlich auf der Nase. Glücklicherweise kam ich sofort wieder hoch. Und offensichtlich ist mir auch kein folgenschwerer Schaden widerfahren. Aber wir waren erschrocken. Selbst der Fahrer wollte sich unbedingt versichern, dass mir nichts passiert sei. Are you ok, sir? Are you ok, sir? Na was denn ? Klar.

Aber mehr als einen Fluch konnte ich als Lebenszeichen nicht absondern. Wir brauchten noch einige Minuten, um die Situation richtig einzuordnen und die Außergewöhnlichkeit des Ereignisses entsprechend zu würdigen. Sind dann aber ohne weitere Zwischenfälle durch die zunehmend im Wasser versinkende Strecke nach Hause gekommen. Unter die warme Dusche, Klamotten durchspülen und aufhängen. Morgen früh werden wir sie wohl noch mal schleudern. Schürfwunden mit Jodsalbe und Pflaster versorgen. Dann muss der gemütliche Teil des Abends beginnen.

 

 

31.03.

 

So, ich hab den Eindruck, Neu Delhi schmeißt uns raus. Es gebärdet sich gastunfreundlich. Nachdem Ich gestern mein Getue erledigt hatte und Ann in unserem Quartier wieder Zoom-Arbeit leistete, dachte ich mir eine schöne letzte Nachmittagswanderung durch das unheimliche Marktviertel nach der großen Kreuzung hinterm Haus „South Extenion I“ wäre das richtige. Erst war alles auch ganz schön. Ein bisschen verlaufen hatte ich auch eingeplant, ist spannender. Etwas später beim Gang über eine „Ballspielwiese“ in Richtung eines Tempels fing sich der Himmel ziemlich genau 15 Uhr an zu verfinstern und erste Tropfen brachten Abkühlung, nachdem der Tag bisher um die 30 Grad heiß war. 

Aus der vorgestrigen Erfahrung suchte ich beim Zurückgehen gleich nach einer Unterstellmöglichkeit. Ich sah durch den dicker werdenden Regen einen Park und darinnen einen großen Pavillon. Den endlosen Drahtzaun, der mich draußen hielt, erkannte ich erst danach. Die Matschstraße, die ich nun am Zaun entlang hastete, löste sich schnell weiter auf und verschwand auch gleichzeitig unterm Meeresspiegel. Nix Türchen. Dann hinter schon verlassenen Verkaufsbüdchen zwischen Müll und Brettern fehlte ein halbes Zaunfeld. Allerdings musste ich, um da ran zu kommen noch das hüfthohe Sockelmäuerchen erklimmen. Der fröhlich lehmigmatschige Zustand, in dem sich das Mäuerchen befand, machte mich vorsichtig zumal ich die Beschaffenheit der Parkseite schlecht einschätzen konnte. Müll natürlich + Laub + Nässe. Beim Übersteigen rutschte ich ab, gab den schon angeschlagenen Stellen an Arm und Knie noch eins drauf und stürzte nicht gänzlich nur dank eines dünnen Baumes, den ich mit einer Hand greifen konnte und der mir half, den gepflasterten Gehweg mit einem Satz zu erreichen. Klatschnass und eingedreckt stand ich in dem Pavillon und war erst mal froh. Ich hatte keine Ahnung wo ich war und prompt hatte ich auch kein Netzt mehr. Navi ende.

Ein Jugendlicher an der gegenüberliegenden Wand hatte keine Lust meinen Kontaktversuch zu erwidern und er blieb stumm hinter seinem Handy versteckt. Manchmal sind die Ausländer auch schlecht zu verstehen. Vier ca. 10-Jährige brachten denn ihren alterstypischen Lärm in die Bude. Wind trieb den Regen von den Seiten rein und mit der anbrechenden Dunkelheit stand plötzlich ein großer weißbrauner nasser Bernhardiner in der Tür und beäugte die Versammlung misstrauisch, suchte nach der ruhigsten Ecke, fand die in der Nähe des Eingangs und ließ ich dort nieder. Die Jungs lärmten, zwei konnten Kreiseltreiben, dieses Kinderspiel von ganz, ganz früher. Ich fand es damals nur reizvoll wegen der Peitsche. Den Kreisel hab ich nie zum Drehen bekommen. Die Jungs machten es nur mit einem Strick, der mit dem Kreiselstein in der Hand abgerollt wurde, dann über den Boden tanzte, angetrieben und in die Hand geschnipst wurde. Von da rollte der Kreisel recht flink den Arm hoch, auf den Boden und anderen Arm wieder hoch. Wow, watn Artist. Aber dann machte der zweite der beiden älteren das ganze Programm noch bravouröser. Als sie davon genug hatten, gingen sie daran, die beiden kleineren zu necken und schließlich zu verprügeln. Als deren Gejammer dann zu heftig wurde, hörten sie damit auf. Der Hund hatte sich erhoben, alle fragten sich, was wird das jetzt? Aber er schaute nur zur Tür in den leicht nachlassenden Regen, dreht sich noch einmal auf der Stelle und legte sich wieder hin.

Ich fand, dass ich nun lang genug unentschieden nass und kalt rumgesessen hatte. Das nächste Tuktuk wird meins wenigstens bin zur nächsten Metro. Ich hatte keine Ahnung, wo es hingehen würde und auch der Driver erkundigte sich bei einem Anwohner nach Metro. Aber dann ging es in gewohntem Schnellgang durch die mit Menschen vollen und völlig überspülten Straßen. Er wollte dabei allem, was nass werden könnte, möglichst ausweichen, sag ich mal. 100 R sollte es kosten, aber nach einer Weile hatte ich den Eindruck, er hatte keine Orientierung mehr. Und wie ich mich so entschließe, doch noch mal einen Blick aufs NAVI zu wagen, erkenne ich doch in dem ganzen Durcheinander den Weg zu der Holzwerkstatt, der ich meine Tischplatte verdanke. Juchu, wir waren auf dem Weg in Richtung Defence Colony. Als ich ihm das neue nahe Ziel ansagte, schien mir der Driver nicht unglücklich. Ich konnte dann sogar im ersten neuen Sonnenschein nach Hause laufen.

Wenn ihr Euch fragt, warum ich das so ausführlich beschreibe? Da gibt es zwei Antworten. 1. Ann blockiert das Quartier mit einer Zoomkonferenz. 2. Als ich gegen 11 mit dem ersten Sonnenschein eine Runde drehen wollte, verwölkte sich der Himmel und ein fetter kurzer Regen ging nieder. Davon hatte ich für dieses mal Neu Delhi echt genug und meine Klamotten sollten für den Flieger, den wir heute Nacht besteigen wollen, trocken sein.

 

Irgendwann taucht mir beim Blick durch die regennasse Scheibe nach einer Kurzpfeife auf dem Balkon die Frage auf: Warum mach ich diese Blogerei? Ach ja, Thomas brachte mich darauf. Natürlich ist der Blog eine bequeme Art Bild und Text zusammenzubringen und anderen mitzuteilen. Dank der modernen Technik ist es ja überhaupt erst möglich. Man kann es recht zeitnah machen, obwohl es dann auf die Dauer anstrengend wird, es durchzuhalten. Andere Gründe liegen am Charakter der Sache. Die Reise ist mit einem halben Jahr recht andauernd, somit würde bei anderer Archivierung viel mehr dem Vergessen anheim fallen, als es eh schon tun wird. Und zum anderen ist das Reiseziel so ungewöhnlich weit und für uns somit sehr selten zu erreichen, sehr wahrscheinlich nur einmalig. Und so ist es mir auf gewisse Art wichtig, dass meine Erlebnisse und Eindrücke für mich abrufbar und mittelungsbereit bleiben und nicht alles nur schön war.

 

Wenn ich trotz der extremen Flexerei die den ganzen Tag ( man sägt Marmorplatten für das Innere von Gegenüber und hat wohl etwas Eile) aus dem Untergeschoss herauslärmt, mal vom Balkon schaue, muss ich sagen, der Regen tut der Stadt echt gut. So schnell wie die Blätter des Baumes unten, der letzte Woche alle abgeworfen hatte, wieder voll in Größe zurück waren, . .  . . das beeindruckt schon.

Zu 21 Uhr war das Taxi bestellt. Es war genug Zeit, um zum Flughafen zu kommen, dort noch ein paar Stunden nach dem Einchecken rumzuhängen und dann in den Flieger zu steigen. Gegen 18 Uhr bekamen wir eine Mail von der Fluggesellschaft, dass wir nicht über Zürich, sondern über München fliegen werden. Ok. Aber das Ganze eine halbe Stunde früher als geplant. Das machte es wieder spannend. Die Fahrzeit mit dem Taxi war nicht klar abzugrenzen und in München war die Zeit zum Umsteigen mit 20 Minuten auch recht knapp. Verspätungen im Flug waren da nicht mehr drin. An Ticket- und Passschaltern wunden sich die Schlangen der Wartenden. Wir waren Dank eines mitgenommenen kleinen Abschiedswhiskeys recht gelassen und beobachteten die Angespannten und Aufgeregten, deren Flüge wohl vor unseren lagen. Aber es ging wenigstens pünktlich gegen ein Uhr in der Nacht los. Das Umsteigen in München haben wir durch die langen Gänge auch geschafft, obwohl mir mein unlauniges Bein da echt hinderlich war. Ann hat die digitale Passkontrolle entdeckt, nur so war es überhaupt möglich, weil uns das dann 2 Minuten vorm Ende des Boardings am Einstieg hat ankommen lassen. Auf Klo sollte sie lieber nicht mehr gehen, sagte der Mensch am Einstieg. Immerhin gab es im Flieger nen Lokus, den sie gleich mal besuchte. Dann stand der Flieger aber noch, nachdem wir Platz genommen hatten, eine Viertel Stunde herum, weil noch Gepäck von Leuten, die es nicht rechtzeitig geschafft hatten, wieder rausgefischt werden musste.

Immerhin war unseres drin. Mein Koffer hatte dann leider an einer Ecke einen großen Sprung und ein Loch, wie wir in Berlin sahen. 

Aber wir waren pünktlich gelandet und konnten problemlos und müde in den trüben Berliner Himmel schauen. Ann fuhr mit der Bahn nach Schöneberg. Thomas holte mich ab und chauffierte mich mit meinem BigGePäck nach Friedrichshagen, wo er mir half den schweren Koffer und die Riesentasche die Treppen hoch zu hieven. Bein und Knie machten es mir schwer. Dann begann nach einem ausführlichen Ausschlafen das Einräumen meiner Wohnung und die Neuorientierung „zuhause“. Montag ging es wieder zur Arbeit.

 

 

Ende